Zu wenig Fleisch und zu viel Chemie – Kampf für gleiche Lebensmittelqualität in der EU

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Eine Marke, aber zwei verschiedene Produkte? Vor allem aus den vier Visegrád-Staaten kommt der Vorwurf: Westliche Lebensmittelkonzerne verkaufen bewusst schlechtere Qualität in die östlichen Länder der EU. Was ist aber dran an den Vorwürfen und was will Tschechien gegen die doppelten Standards der Unternehmen tun will.

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Eigentlich müsste die weltbekannte schwarze Brause mit dem roten Etikett sowohl in München, als auch in Prag gleich schmecken. Wenn es aber nach den Landwirtschaftsministern von Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei geht, so ist dem nicht so. Der Christdemokrat und Landwirt Marian Jurečka führt das Agrar-Ressort in Prag:

„Wir haben mehrere Produkte untersuchen lassen und dabei festgestellt, dass die Qualität im Westen höher ist. Mal ist mehr Kakao drin, mal andere Fette oder Süßungsmittel, auch werden andere Zusatzstoffe verwendet, sogenannte E-Zusatzstoffe. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, bei uns ist die Lebensmittelqualität wirklich niedriger.“

Auch ein Sprecher der ungarischen Nahrungsmittelbehörde Nebih beklagte gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“, dass in Budapest die Nutella nicht so cremig sei, die Cola nicht so reich und komplex schmecke, und die Manner-Waffeln nicht so knusperten wie in Wien. Der slowakische Premier Robert Fico hat die Angelegenheit um die Lebensmittelqualität sogar zur Chefsache erklärt. Er wetterte beim jüngsten Treffen der Visegrád-Regierungschefs in Warschau gegen die westlichen Lebensmittel-Multis:

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„Die sollen uns doch bitte nicht erzählen, dass wir in der Business-Class logieren, während wir tatsächlich in der allerniedrigsten Kategorie sitzen. Bei den gleichen Produkten mit der gleichen Verpackung haben wir in der Slowakei Folgendes festgestellt: Im Westen war oft der Fleischanteil höher und bei uns der Anteil an Fett. Insgesamt waren die Grammagen in der Slowakei niedriger, während wir mehr Konservierungsmittel und künstliche Süßstoffe in den Produkten hatten.“

Nur Warschau selbst ist nicht allzu laut bei der Kritik an den Herstellern. In Polen sind nämlich ganze 90 Prozent der Produkte in den Supermärkten aus eigener Produktion.

Schlechtere Qualität, aber für mehr Geld?

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Bei den Tschechen kommt der Unmut in der Politik gut an. Denn man fährt oft und gerne in die westlichen Nachbarländer. Wenn man dann in Tschechien Hunger hat auf den gleichen Brotaufstrich oder die gleiche Packung Chips hat, kommt aber oft die Enttäuschung.

„Ich bin schon der Meinung, dass man für den gleichen Preis auch die gleiche Qualität bekommen sollte, wie auch anderswo“, sagt zum Beispiel dieser Kunde eines Prager Supermarkts.

Manche kaufen schon gar nicht mehr in Tschechien ein und fahren gleich zum Nachbarn, so wie Dagmar:

„Ich komme aus Znojmo. Früher war es so, dass die Österreicher zu uns zum Einkaufen gekommen sind. Jetzt ist das Preis-Leistungsverhältnis aber so, dass wir nach Österreich fahren.“

Damit sprechen Dagmar und der Herr aus dem Supermarkt einen weiteren Umstand an, der vielen Tschechen sauer aufstößt: Nicht nur dass die Lebensmittel in Tschechien mutmaßlich schlechter sind, sie sind meist auch noch teurer. Eine Packung Chips der Marke Pringles bekommt man in einem Münchner Supermarkt für 2,29 Euro. In Tschechien kostet das gleiche Produkt umgerechnet 2,59 Euro. Beim Nougat-Aufstrich der Marke Nutella ist der Unterschied sogar noch größer. Ein 750 Milliliter-Glas kostet in Deutschland 3,79 Euro, in Tschechien fast einen ganzen Euro mehr, und zwar umgerechnet 4,77. Und nicht einmal bei der Säuglingsmilch kommen die Tschechen günstiger weg. Eine 600 Gramm-Packung der Marke Beba von Nestle ist in München für 8,25 Euro zu haben, ein Prager muss dafür aber geschlagene 10 Euro ausgeben. Selbst mehrwertsteuerbereinigt fällt der Preisunterschied klar ins Auge.

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Bei den Preisen ging die Kritik unter anderem an die Adresse der deutschen Drogerie-Kette dm. Das Nachrichtenportal Novinky.cz stellte fest, dass diese von ihren Kunden in Tschechien für ihre Produkte teilweise das Doppelte verlangte im Vergleich zu Deutschland Firmensprecher Jiří Peroutka rechtfertigte dies gegenüber den Journalisten des Portals damals so, Zitat:

„Im Gegensatz zu Deutschland hat dm in Tschechien ein ganz anders angelegtes Netz an Filialen. Dabei spielt aber nicht nur die Größe der Läden eine Rolle, die in Tschechien kleiner ist, sondern auch der erreichte Umsatz pro Filiale. Ein dm-Markt in Tschechien verdient dreimal weniger als einer in Deutschland. Deshalb sind auch die Ausgaben für eine Filiale in Tschechien viel höher. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Steuersätze in den Ländern.“

Verbraucher ohne Möglichkeit zur Gegenwehr

Lukáš Zelený  (Foto: Jana Trpišovská,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Doch ist es wirklich so schlimm mit den Qualitätsunterschieden im Westen und im Osten der EU? Lukas Zelený ist von der Organisation dTest, dem tschechischen Pendant zur deutschen Stiftung Warentest:

„Vergangenes Jahr haben wir eine großangelegte Studie durchgeführt. Wir haben dabei sowohl die großen Marken, als auch die Hausmarken der Supermärkte untersucht. Bei den sogenannten Markenartikeln konnten wird eigentlich keine großen Unterschiede feststellen. Bei den Hausmarken sind wir da schon fündiger geworden, und zwar bei einem Großteil der Artikel. Teilweise waren die Unterschiede sogar gewaltig.“

Untersucht wurde eine breite Skala an Produkten, von der Limonade bis zum Fitnessmüsli. Die Unterschiede waren zahlreich, so war beispielsweise bei einem Müsli in Tschechien der Obstanteil viel kleiner. Hauptsächlich ging es aber um die Zusatzstoffe, mit denen die Hersteller beiderseits der Grenze ganz anders umgegangen sind. Der Verbraucher kann das laut Jiří Zelený kaum erkennen, denn nur wenige überblicken die tatsächlichen Wert- oder Mengenangaben sowie die Zusammensetzung von Aroma- oder Konservierungsstoffen. Und auch sich gegen die Qualitätsunterschiede zu wehren, ist für den Otto Normalverbraucher fast unmöglich:

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„Es gibt kein wirkliches Rezept, um etwas dagegen zu tun. Man könnte auf die Karte der Verbrauchertäuschung setzen, mir ist aber kein Fall bekannt, bei dem die zuständigen Behörden tatsächlich eine Strafe verhängt haben. Es gibt nämlich keinen rechtlichen Rahmen, der besagt, dass ein Produkt mit gleichem Namen und Etikett in jedem Land auch gleich sein muss.“

Gemeinsam gegen zweierlei Lebensmittelqualität

Doch genau das ist das Ziel der vier Visegrád-Staaten. Man wolle eine eigene Studie in Auftrag geben, in der die Qualitätsunterschiede bei Lebensmitteln bewiesen werden sollen, heißt es dazu unter anderem aus Prag. Anschließend will man die EU zur Verantwortung ziehen, wie Landwirtschaftsminister Jurečka erklärt:

Marian Jurečka  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir machen das alles, um Folgendes zu erreichen: Es soll einen legislativen Rahmen auf europäischer Ebene geben, der die gleiche Qualität von Lebensmitteln mit dem gleichen Etikett sicherstellt.“

Deshalb haben die Regierungschefs von Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei vergangene Woche bei ihrem Gipfel in der Slowakei beschlossen, Druck auf die Europäische Kommission zu machen. Der Initiative anschließen wollen sich unter anderem auch Slowenien, Österreich und Bulgarien. Eine positive Stimme gibt es dabei schon von der tschechischen EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Věra Jourová:

„Ich als EU-Kommissarin bin durchaus bereit, mich für den Vorstoß einzusetzen, und zwar mindestens in drei Bereichen. Zunächst sollten wir analysieren, was im bereits vorhandenen Rechtsrahmen bezüglich des Verbraucherschutzes möglich ist. Weiterhin habe ich in der Sache schon Vertreter der Wirtschafts-Inspektionen der Mitgliedsstaaten zu Beratungen einbestellt. Und letztlich will ich mich auch mit denjenigen treffen, die mutmaßlich die Interessen der Verbraucher verletzen.“

Bei früheren Beschwerden winkte die Kommission aber jedes Mal ab, es stehe den Herstellern frei, welche Produkte sie verkaufen. Diese beriefen sich auf Marktstudien und unterschiedliche Kundenpräferenzen in den einzelnen Ländern. Von Warschau bis Budapest will man dieses Argument aber nicht mehr gelten lassen.