Wiener Palais in böhmischem Dorf: Schloss Nebílovy

Schloss Nebílovy (Foto: Martina Schneibergová)

Das Schloss erinnert an Wiener Barockpaläste, auch wenn es inmitten eines Dorfes in Westböhmen steht. Nebílovy gehört zur gleichnamigen Gemeinde, etwa 16 Kilometer südlich von Plzeň / Pilsen. Die größte Bedeutung hatte die Residenz unter der Adelsfamilie Czernin im 18. Jahrhundert.

Schloss Nebílovy  (Foto: Martina Schneibergová)
Wenn man von Pilsen mit dem Bus nach Nebílovy kommt, ist das Schloss nicht zu übersehen. Denn es steht nur wenige Meter von der Bushaltestelle entfernt. Die Residenz besteht aus zwei sich gegenüberliegenden Gebäuden. Sie waren ursprünglich durch zwei Arkadengänge verbunden. Von den Arkaden sind aber nur noch Fragmente erhalten. Vom Haupteingang im vorderen Gebäude geht es rechts zur Kasse und zu den ersten Schautafeln. Links führt die Treppe in die erste Etage, dort sind an der Wand zahlreiche Graphiken mit Pflanzenmotiven zu sehen. Milan Fiala ist Kastellan des Schlosses.

„Wir befinden uns gerade in der Arkadengalerie im vorderen Gebäude. Das Schloss Nebílovy wurde an einem Ort errichtet, an dem in der Renaissancezeit eine Wasserfeste stand. Das Schloss entstand in den Jahren 1706 bis 1712 für den Feldmarschall der Republik Venedig, Adam Heinrich von Steinau. Er hatte diese Herrschaft zum Abschluss seiner Militärkarriere gekauft. Die Residenz wurde nach dem Entwurf von Johann Lucas von Hildebrandt erbaut. Nach den Entwürfen dieses Wiener Hofarchitekten sind unter anderem auch das Belvedere oder die Palais Daus-Kinsky und Schwarzenberg in Wien erstanden. Die Arbeiten am Schloss leitete der Pilsener Baumeister Jakob Auguston der Jüngere.“

Aufschwung unter Vojtěch Czernin

Tanzsaal  (Foto: Martina Schneibergová)
Es handelte sich um Augustons erste selbständige Arbeit. Das hatte negative Folgen. In den Wänden des Schlosses zeigten sich Risse, und das Gebäude sank immer tiefer in den feuchten Boden. Später ging das Schloss auf die böhmische Adelsfamilie Czernin von Chudenice über. Ihr gehörte die Residenz von 1715 bis 1816. Die schönsten Zeiten erlebte Nebílovy zum Schluss der Czernin-Ära: 1785 erbte Vojtěch Prokop Czernin die Herrschaft. Er sei der königliche Oberhofjäger gewesen, erzählt Milan Fiala:

„Dieser Mann ließ diese herrliche Wiener Barockvilla mit dem französischen Garten und einer Reithalle gründlich restaurieren. Damals kam der Adel oft zu diversen Festivitäten nach Nebílovy. So wurden im hiesigen Tanzsaal Bälle veranstaltet. Czernin stand zudem in der Nachbarschaft das schöne Jagdschloss Kozel zur Verfügung. Im Schloss pulsierte das Leben bis zu Vojtěch Czernins Tod im Jahre 1816.“

Salons als Getreidespeicher, Schloss als Traktorengarage

Foto: Martina Schneibergová
Die meisten Besucher von Nebílovy glauben, dass die Residenz erst zu kommunistischen Zeiten ab 1948 dem Verfall ausgesetzt war. Doch der Niedergang habe viel früher begonnen, schon nachdem die Adelsfamilie Waldstein die Herrschaft geerbt hatte, erzählt der Kastellan.

„Familie Waldstein nutzte das Schloss nicht mehr als Residenz, sondern verpachtete es zu Wirtschaftszwecken. In den Salons der Adeligen wurde dann das Getreide gespeichert. Und in den Räumlichkeiten, in denen das Personal gewohnt hatte, wurden Tiere gehalten. Die Arkadengänge, die die beiden Gebäude verbanden hatten, stürzten ein. Heute sind davon nur noch Mauerfragmente erhalten. Auch das Gewölbe in der St.-Anton-Kapelle stürzte ein. Nach der Bodenreform von 1924 wurde das Schloss auf eine Obstbauerngenossenschaft übertragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Nationalausschuss – also der Gemeinderat – im vorderen Schlossgebäude seinen Sitz. Das hintere Gebäude diente als Gutshof. In den Räumen im Erdgeschoss wurden Traktoren geparkt. In den Jahren 1966 und 1967 machten Denkmalschutzexperten darauf aufmerksam, dass der hintere Schlossbau dringend saniert werden müsste. Das halb verfallene Schloss wurde 1968 auf den Staat übertragen. Die Genossenschaft protestierte zwar dagegen mit dem Argument, dass sie Speicher in der Größe für 30 Waggons Weizen nicht selbst errichten könnte. Doch seit 1968 wird das Schloss intensiv repariert.“

Deckenmalerei nach 45 Jahren zurückgebracht

Tanzsaal  (Foto: Martina Schneibergová)
1998 wurde das sanierte vordere Schlossgebäude für die Öffentlichkeit zugänglich. Allmählich wird auch der hintere Trakt restauriert. Seit einigen Jahren sei dort der herrliche Tanzsaal zugänglich, erzählt der Kastellan.

„Es ist wirklich ein Meisterstück im Bereich des Denkmalschutzes hierzulande. 1968 wurden bei der Sanierung die dortigen Deckenmalereien abgetragen, um sie zu retten. Nach 45 Jahren wurde das aus 650 Teilen bestehende Kunstwerk wieder zurück an seinen Ort gebracht. Darauf hatte kaum jemand mehr gehofft. Die Malerin Karine Artouni, die das Team der Restauratoren leitete, wurde für die Rettung der Deckenmalereien 2014 mit dem Denkmalschutzpreis ,Patrimonium pro futuro‘ ausgezeichnet.“

Die Decken- und Wandmalereien sind ein Werk von Antonín Tuvora aus den Jahren 1790 bis 1792. Er malte eine fiktive subtropische Landschaft mit Eichhörnchen, Pfauen, Vögeln, Affen und vielen exotischen Pflanzen. Die Malereien enthalten viele Freimaurersymbole. Denn Vojtěch Czernin und seine Verwandten waren Mitglieder von Freimaurerlogen.

Fliesen und Fensterläden

Loggia  (Foto: Martina Schneibergová)
Über den Schlosshof geht es in das hintere Schlossgebäude, das allmählich restauriert wird. Draußen wird am neuen Putz gearbeitet. Durch die Arkadenloggia gelangt man in die ersten sanierten Salons. Die Loggia habe sich zuvor in einem katastrophalen Zustand befunden, sagt Milan Fiala:

„Der Putz war größtenteils abgeschlagen, die Balustrade war vollständig zerstört, das Treppenhaus war verfallen, es fehlten Fließen, Fensterläden und Türen. Seit vergangenem Jahr wird die Loggia restauriert. Und die schönen neuen Fließen und Fensterläden sowie der neue Putz sind bereits zu sehen. Aus meiner Sicht ist der architektonisch wertvollste Bereich des Schlosses zum Teil bereits saniert.“

Der Kastellan öffnet die neue Tür zum Schlossgemach, doch dies wird erst noch restauriert. Die Original-Wandmalereien sind aber zum Teil zu erkennen.

„Sie sind ein Werk von Antonín Tuvora aus dem Jahr 1790. Wir setzen den Salon wieder in Stand, aber die Malereien wollen wir nicht übermalen oder überdecken. Zuerst müssen die fehlenden Mauerteile und der Putz ergänzt werden. Bei den Malereien wollen wir aber nichts Zusätzliches hinzufügen, wir möchten die Authentizität des Raums und die Originalmalornamente von Tuvora aufrechterhalten. Den Besuchern möchten wir zeigen, wie sich das Baudenkmal im Verlaufe der Jahrhunderte verändert hat, wie stark die Menschen es beschädigt haben.“


Unsere Führung durch Schloss Nebílovy werden wir in einer der nächsten Ausgaben des Reiselands fortsetzen. Das Schloss ist von Juni bis August täglich außer montags geöffnet, und zwar von 9 bis 17 Uhr. Im Mai und im September ist es täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr zugänglich. Im April und im Oktober ist Nebílovy nur am Wochenende von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

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