Von Prag aus erschallt Warnung vor neuen Formen des Antisemitismus

Foto: Ladislav Bába, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Im Senat des tschechischen Parlaments fand am Donnerstag eine Versammlung gegen Antisemitismus statt. Sie war eine Reaktion auf antijüdische Ausschreitungen, zu denen es in den letzten Monaten in Europa wiederholt gekommen ist. Die Teilnehmer forderten die Senatoren auf, an die EU-Vertreter zu appellieren und sie dazu zu bewegen, sich mit dem anwachsenden Antisemitismus zu beschäftigen.

Daniel Herman  (Foto: Martina Schneibergová)
Unter den Teilnehmern der Versammlung im vollen Hauptsaal des Senats waren mehrere Parlamentarier, Politiker, Kirchenvertreter und auch Shoah-Überlebende. Die Redner erinnerten daran, dass sich die antijüdischen Äußerungen in Europa zu einer Zeit zeigen, in der man gerade an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren erinnert. Kulturminister Daniel Herman warnte vor einer passiven Haltung:

„Im 20. Jahrhundert haben viele Menschen geschwiegen. Sie hatten nicht den Mut, die Wahrheit zu sagen. Sechs Millionen Menschen, die wegen ihrer Angehörigkeit zu einem Volk starben, bedeuten eine große Warnung für uns.“

Gary Koren  (Foto: Martina Schneibergová)
Der israelische Botschafter in Tschechien, Gary Koren, ging in seiner Rede unter anderem auf den Besuch des Vorsitzenden des israelischen Parlaments, Juli Edelstein, in Prag ein:

„Die Tschechische Republik kann mit Recht darauf stolz sein, dass ein blinder Hass gegenüber Juden hierzulande keine tiefen Wurzeln geschlagen hat. Vorige Woche traf der Vorsitzende der israelischen Knesset, Juli Edelstein, mit den tschechischen Parlamentariern zusammen. Er erklärte bei dieser Gelegenheit, dass die Tschechische Republik nicht nur ein Beispiel für andere Länder sein könnte, sondern auch das Potenzial hat, an der Spitze des Kampfes gegen Antisemitismus in Europa zu stehen.“

Otto Dov Kulka  (Foto: Martina Schneibergová)
Der israelische Historiker Otto Dov Kulka stammt aus Mähren. Als minderjährigen Jungen gelang es ihm, das KZ Auschwitz zu überleben. Der Geschichtsprofessor warnte vor der Wiederbelebung des Judenhasses.

Der Leiter des Prager Jüdischen Museums, Leo Pavlát, machte in seiner Rede auf die mediale Beeinflussung aufmerksam, die den latenten Judenhass in der Gesellschaft neu entflammen könnte.

„Zuletzt war eine derartige mediale Manipulation zu spüren, als vom Gaza-Streifen aus Raketen auf Israel abgefeuert wurden. Dies führte zum Konflikt des demokratischen Staats Israel mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Die Manipulierung bestand darin, nicht klar zu sagen, wer angreift und wer sich wehrt, wer sich bemüht, die Menschenleben zu beschützen, und wer den Tod unschuldiger Zivilpersonen als ein Mittel des Kampfes einkalkuliert.“

Leo Pavlát  (Foto: Martina Schneibergová)
Dies führe zum Judenhass, so Pavlát. Seinen Worten zufolge bestritt der klassische Antisemitismus bis zur Entstehung des Staates Israel stets das Recht der Juden auf Sicherheit und Würde. Der antiisraelische Antisemitismus leugne dasselbe – im Unterschied zur klassischen Version aber gegenüber einem Volk mit seiner eigenen Staatlichkeit, so Pavlát:

„Israel wird dämonisiert, und eine derartige systematische Kampagne widerspiegelt sich in der Beziehung der Mehrheitsbevölkerung zu Juden, egal wo sie leben. Dies bedeutet eine Gefahr für die nächste Zeit. Vergessen wir nicht, dass es in Europa bereits passierte, dass der Antisemitismus zur Staatsdoktrin geworden ist.“

Foto: Ladislav Bába,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Die Teilnehmer der Versammlung forderten Präsident Miloš Zeman, die Regierung und das Parlament auf, klar zu zeigen, dass der „Judenhass in Tschechien nicht toleriert werden darf“.