Richter dürfen ihre kommunistische Vergangenheit nicht mehr geheim halten

Die Gerichte dürfen vor den Bürgern die kommunistische Vergangenheit der einzelnen Richter nicht mehr geheim halten. Die einstige Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei ist keine Privatsache und für die heutige richterliche Tätigkeit durchaus von Relevanz. Das geht aus dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichts hervor.

Wer sich heute vor einem Richter verantworten muss, der kann seinerseits Auskunft darüber verlangen, ob dieser Richter vor 1989 – also zur kommunistischen Zeit – Mitglied in der Partei, der KPTsch (KSČ) war. Das Verfassungsgericht reagierte am Montag mit diesem Urteil auf die Beschwerde des Bürgeraktivisten Tomáš Pecina. Pecina hatte drei Jahre lang erfolglos versucht, die Information zu bekommen, wie viele Richter des Obersten Gerichts in Olomouc / Olmütz vor der Wende von 1989 im Besitz des „roten Buchs“ waren, also des kommunistischen Parteibuches. Der Bürgeraktivist berief sich auf sein Recht auf einen freien Zugang zu Informationen. Die Gerichte behaupteten bislang, die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei sei eine sensible Angabe, eine Privatangelegenheit, die ohne Zustimmung des Betroffenen nicht veröffentlicht werden könne.

Vojen Güttler  (Foto: ČTK)
Das Urteil des Verfassungsgerichts ist umfangreich. Auf 38 Seiten begründet der Senatsvorsitzende, Vojen Güttler, dass Richter - genauso wie Politiker - öffentliche Personen seien:

„Jeder, der Mitglied der KPTsch und Richter war und nach November 1989 Richter geblieben ist, musste sich dessen bewusst sein, dass die neue demokratische Gesellschaft fragen wird, wie es mit ihm während der kommunistischen Vergangenheit stand.“

Vojen Güttler ging von der Überzeugung aus, dass die frühere Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei die Standpunkte und damit auch die Entscheidungen des Richters weiterhin beeinflussen kann. Ein Richter, der Kommunist war, kann in einem konkreten Fall voreingenommen sein.

Jiří Pospíšil
„Davon konnten wir uns schon bei Entscheidungen bestimmter Richter überzeugen. Vor allem wenn sie beispielsweise über die Rückgabe des von den Kommunisten konfiszierten Eigentums entscheiden sollten, oder über die Rehabilitierung politischer Gefangener und Ähnliches.“

Solch eine Voreingenommenheit muss dem jeweiligen Richter dabei nicht einmal bewusst sein.

Bürgeraktivist Pecina begrüßte die Entscheidung der Verfassungsrichter. Ein Regime, das die Vergangenheit der Richter geheim halte, sei undemokratisch, so Pecina. Auch Justizminister Jiří Pospíšil stimmte der Entscheidung des Verfassungsgerichts zu.

Mitgliedschaft in der KPTsch
„Das Urteil erweitert die Auslegung des Rechts auf Information. Und das ist richtig. Der Bürger soll das Recht auf Informationen über die Organe der öffentlichen Macht haben, insbesondere dann, wenn diese Organe über ihn entscheiden. Das Ministerium wird das Urteil eingehend studieren und daraus praktische Konsequenzen für die tschechische Justiz ableiten.“

Künftig muss das Problem gelöst werden, woher man die Information über die kommunistische Vergangenheit der Richter beziehen soll: ob aus den Archiven der kommunistischen Partei, von den Personalabteilungen der Gerichte oder durch Befragung der einzelnen Richter. Wie viele Ex-Kommunisten immer noch im Talar Urteile fällen, kann nur geschätzt werden. Vor vier Jahren stellte das Justizministerium fest, dass etwa ein Viertel der Richter früher Mitglied der kommunistischen Partei war. Auch heute dürfte die Zahl noch ähnlich hoch sein.