Nach dem Terror von Paris: Tschechien macht der EU Vorwürfe

Bohuslav Sobotka, Miloš Zeman (Foto: ČTK)

Schock und Trauer – und zugleich ein sofortiger Ruf nach verstärkten Sicherheitsmaßnahmen. So reagierte Tschechien auf die Anschläge von Paris, die am Wochenende 128 Menschen in den Tod rissen. Während noch auf Hochtouren nach Tätern und Drahtziehern des Terrors gefahndet wird, sieht sich die tschechische Regierung bereits ihrer Haltung zur Flüchtlingskrise bestätigt und fordert Konsequenzen auf EU-Ebene.

Bohuslav Sobotka,  Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Am Sonntagnachmittag läuteten in Tschechien die Kirchenglocken. In der französischen Botschaft trugen sich die Menschen in das Kondolenzbuch für die Opfer der Anschläge ein und legten Kerzen nieder. Der kleine Eiffelturm auf dem Petřín / Laurenziberg leuchtete bereits am Samstag in den Farben der Tricolore. Als „abscheuliches Verbrechen“ bezeichnete Staatspräsident Zeman die Anschläge von Paris, nun stünden, so wörtlich „schwere Zeiten“ bevor. Beinahe umgehend erklangen Forderungen nach einem stärkeren Schutz der europäischen Außengrenzen. „Es muss klar sein, wer nach Europa kommt“, sagte Bohuslav Sobotka nach der Sitzung des Sicherheitsrates am Samstagnachmittag. Die Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise seien nicht zu unterschätzen, meinte der tschechische Premier und sieht sich in seiner Haltung durch die jüngsten Ereignisse bestätigt:

„Die Tschechische Rebublik hatte Recht damit, seit Monaten darauf hinzuweisen, dass der Schutz der Schengengrenzen nicht funktioniert und dass wir überhaupt keinen Überblick darüber haben, wer zu welchen Zwecken in die Europäische Union kommt. Schon mehrere Monate funktioniert die Registrierung von Flüchtlingen in Griechenland überhaupt nicht mehr. Das kann alles das Sicherheitsrisiko erhöhen, das wir nun in Europa fühlen.“

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Von EU-Kommissionspräsident Juncker zeigte sich Sobotka enttäuscht. Dieser hatte am Rande des G20-Gipfels im türkischen Antalya vor vorschnellen Reaktionen und einer Verknüpfung der Pariser Anschläge mit der Flüchtlingsfrage gewarnt. Umgehende Schritte forderte am Montag Vizepremier Andrej Babiš. In einer Videobotschaft auf Twitter verlangte der Chef der Ano-Partei am Montag die sofortige Schließung der Außengrenzen im Schengenraum:

„Die Befürchtungen haben sich bestätigt, dass der Islamische Staat im Rahmen der Flüchtlingskrise seine Kämpfer nach Europa schickt, mit dem Ziel unsere Leute zu töten. Wir befinden uns in einem Krieg, dem man sich schnell stellen muss. Die Europäische Union ist dazu nicht in der Lage.“

Der zweite Vizepremier Pavel Bělobrádek hatte am Wochenende hingegen angemahnt, nicht in Panik zu verfallen. Gerade dies sei das Ziel der Terroristen:

„Nicht jeder Muslim ist ein Terrorist. Die Menschen, die schon vor Jahren nach Tschechien gekommen seien, sollten nicht unter Generalverdacht gestellt werden“,

sagte der Christdemokrat vor Journalisten. Vor einer Vorverurteilung der Flüchtlinge warnte auch Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg. „Natürlich sind unter diesen Flüchtlingen auch Extremisten. Aber das bedeutet nicht, dass wir jetzt damit aufhören, denjenigen zu helfen, die tatsächlich in Not sind“, meinte der Parteivorsitzende der konservativen Top 09 im Tschechischen Fernsehen.

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Das Mitte-Links-Kabinett fährt in der Flüchtlingskrise seit langem einen ablehnenden Kurs. Kritiker sprechen von einer gezielten Politik der Abschreckung, etwa auch im Zusammenhang mit den tschechischen Abschiebelagern. Die Gruppe irakischer Flüchtlinge im tschechischen Abschiebelager Drahonice hat unterdessen ihren Hungerstreik unterbrochen – als Reaktion auf Paris. Über 60 Menschen, zum Großteil Iraker, wollten damit ihre Freilassung und Weiterreise nach Deutschland erzwingen. Wie es in einer Erklärung vom Sonntag heißt, verurteilen sie die „feige und verbrecherische Tat“ der Terroristen. Dahinter stünden die gleichen, die sie zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen hätten – die Anhänger des sogenannten Islamischen Staates.