Grenzverschiebung: Tschechien muss Grundstücke an Polen abtreten

Foto: Vojtěch Berger

Tschechien soll etwa 370 Hektar Land an Polen abtreten. Die geplante Grenzverschiebung geht auf einen Streit um den Grenzverlauf im Teschner Gebiet aus dem Jahr 1918 zurück. Aktuell hat das Innenministerium Grundstücke ausgesucht, die künftig ihre Staatszugehörigkeit wechseln sollen. Den größten Teil verliert die Region im Friedländer Zipfel / Frýdlantský výběžek in Nordböhmen, aber auch viele Gemeinden in Nordmähren sind betroffen. Die bevorstehende Schrumpfung Tschechiens wird vor Ort mit Sorge beobachtet.

Foto: Vojtěch Berger
Die Staatsgrenze Tschechiens hat sich seit achtzehn Jahren nicht verändert. 1997 haben Tschechien und die Slowakei zwei Dörfer, Sidonie und U Sabotů, im Norden der Weißen Karpaten ausgetauscht. Nun fürchten manche Gemeinden im tschechisch-polnischen Grenzgebiet um strategisch wichtige Grundstücke. Doch genaue Informationen stehen den Bürgermeistern nicht zur Verfügung. Das tschechische Innenministerium hat Ende vergangenen Jahres eine Liste von Grundstücken an Polen übermittelt, die an die Nachbarn abgetreten werden könnten. Sie wird allerdings streng geheim gehalten. Innenminister Milan Chovanec (Sozialdemokraten):

„Polen besteht darauf, dass die Gebietsansprüche beglichen werden müssen. Angesichts der Tatsache, dass die Akten, mit denen sich die Regierung befasst hat, nicht öffentlich sind, kann ich keine Details nennen.“

Milan Chovanec  (Foto: Filip Jandourek)
Die Regierungen der beiden Nachbarländer wollen einen Streit lösen, der bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurückgeht. Im Kern der Auseinandersetzung steht ein Streifen im so genannten Hultschiner Ländchen, auf Tschechisch Hlučínsko, um den seit 1918 gestritten wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg legte Moskau den Grenzverlauf fest. Durch einen internationalen Grenzvertrag von 1958 wurde die Grenze begradigt und um etwa 80 Kilometer verkürzt, dennoch verlor Polen dabei fast 400 Hektar Bodenfläche. Und die soll es nun zurückbekommen.

Eine der betroffenen Gemeinden ist Vidnava / Weidenau in Nordmähren. Bis 1958 verlief die Staatsgrenze durch die Stadtmitte. Die geplante Rückgabe betrifft nun nicht nur Grundstücke, sondern auch einige Gebäude in der Stadt. Bürgermeister Rostislav Kačora:

„Auf einem der Grundstücke baue die Gemeinde zum Beispiel einen Wasserspeicher.“

Er solle innerhalb von fünf Jahren in Betrieb genommen werden, so der Bürgermeister. Als er vom Innenministerium im letzten Jahr aufgefordert wurde, sich zur Übergabe zu äußern, sprach er sich dagegen aus. Trotzdem wurde er bisher nicht darüber informiert, wie sich die Sache weiter entwickelt hat.

„Sollte die Abtretung Vidnava betreffen, werden wir uns selbstverständlich mit allen rechtlichen Mitteln bemühen, sie zu verhindern.“

Probleme und Unsicherheiten gibt es auch in andern Gemeinden. In Mikulovice / Niklasdorf im Bezirk Jeseník / Freiwaldau sollen auf eventuell betroffenen Grundstücken Häuser für Familien gebaut werden. Dagegen hat Krnov / Jägerndorf selbst Grundstücke ausgesucht und zur Rückgabe angeboten. Ob es auf der anderen Seite Interesse dafür gebe, wisse man nicht, sagt die Sprecherin des Rathauses Dita Círová:

„Bisher habe niemand auf das Angebot reagiert und mit der Stadt verhandelt.“

Die Tschechische Republik bemüht sich seit ungefähr zehn Jahren, die territoriale Schuld bei Polen abzutragen. Eine finanzielle Entschädigung wurde von Seiten der polnischen Regierung abgelehnt.