Gratias agit: Stehapplaus für Mutige von 1968

Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums

Mit dem „Gratias agit“ dankt das Außenministerium jedes Jahr mehreren Persönlichkeiten und Institutionen, die sich im Ausland um den guten Namen der Tschechischen Republik verdient gemacht haben.

Tatjana Bajewa,  Viktor Fainberg und Pawel Litwinow  (Foto: Ondřej Tomšů)
Mit stehendem Applaus wurden im vollen Saal des Czernin-Palais die Russen begrüßt, die im August 1968 auf dem Roten Platz in Moskau gegen die Okkupation der Tschechoslowakei protestiert hatten. Stellvertretend für die Gruppe der sogenannten „acht Tapferen“, die damals gegen den Einmarsch demonstrierten, nahmen Pawel Litwinow, Tatjana Bajewa und Viktor Fainberg den Preis entgegen. Sie sind die letzten Lebenden der acht Demonstranten.

Pawel Litwinow: „Es war der glücklichste Moment meines Lebens, als ich auf den Roten Platz kam. Ich hatte das Gefühl, als ob ich geflogen wäre. Ich war glücklich, dass ich das tat, was ich tun musste.“

Viktor Fainberg ergänzt: „Der Prager Frühling hat nicht nur unsere Solidarität hervorgerufen, sondern auch die Hoffnung auf unsere eigene Zukunft.“

Hartmut Binder  (rechts). Foto: Ondřej Tomšů
Der Protest endete nach einigen Minuten, die Demonstranten wurden verhaftet. Alle acht Teilnehmer emigrierten später aus der Sowjetunion. Bei ihrem Besuch 1990 in der Tschechoslowakei bedankte sich Präsident Václav Havel bei ihnen für ihre Tat.

Persönlichkeiten und Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und aus verschiedenen Ländern der Welt sind mit dem Preis Gratias agit ausgezeichnet worden. Unter ihnen auch der deutsche Literaturhistoriker Hartmut Binder:

„Ich war vollkommen überrascht. Ich fühle mich natürlich sehr geehrt für meine jahrzehntelange Tätigkeit in Sachen der Prager Literatur zu Ende der Habsburger Monarchie. Es ist eine Ermutigung weiterzumachen.“

Watheq Al-Qsous  (Foto: Ondřej Tomšů)
Hartmut Binder gilt als hervorragender Kenner der Prager deutschen Literatur. Er hat zahlreiche Bücher über die Autoren, vor allem über Franz Kafka, verfasst:

„Ich war 1966 zu einem Kafka-Kolloquium in Berlin eingeladen, und auf dieser Tagung lernte ich Věra Saudková kennen, eine der Töchter von Kafkas jüngster Schwester Ottla. Sie hat mich nach Prag eingeladen. Ich bin dieser Einladung gleich nachgekommen, und bei dieser Gelegenheit habe ich mich sozusagen in die Stadt verliebt.“

Soweit der Literaturhistoriker. Der jordanische Arzt Watheq Al-Qsous hat einst in der Tschechoslowakei studiert. Heute organisiert er das Medevac-Hilfsprogramm für syrische Flüchtlinge in Jordanien:

Jiří Bystrický  (Foto: Ondřej Tomšů)
„Das Medevac-Programm startete damit, dass wir Patienten mit Kriegsverletzungen aus Jordanien nach Tschechien zur Behandlung geschickt haben. Ich habe zunächst bei der Auswahl der Patienten geholfen. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass es viel besser ist, sie vor Ort zu operieren. Mittlerweile hat sich das als gute Entscheidung erwiesen, dadurch ist das Ansehen der Tschechischen Republik in Jordanien sehr gestiegen.“

Nicht nur für die aktuellen Aktivitäten, sondern vor allem für die Leistungen seiner Mitglieder in der Vergangenheit wurde der Turnverein Sokol in Paris geehrt. Jiří Bystrický ist dort Mitglied:

„Zu Anfang des Ersten Weltkriegs beschloss die Sokol-Einheit, dass sich alle Männer als Freiwillige bei der französischen Armee melden. Da sie aber österreichische Staatsbürger waren, drohte ihnen die Ausweisung aus Frankreich. Sie traten in die französische Fremdenlegion ein und gründeten dort die Kompanie, die nach einem tschechischen Gruß ‚Rota Nazdar‘ genannt wurde.“

Die Auszeichnung Gratias Agit ging in diesem Jahr an elf Einzelpersönlichkeiten, die Gruppe der acht sowjetischen Oppositionellen sowie an den Pariser Sokol-Verband und an die Gedenkstätte in Lidice.