Eine heiße Nacht im Parlament

Jan Hamáček und Andrej Babiš (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
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Tschechien hat wieder eine Regierung mit Vertrauen. Das Minderheitskabinett von Andrej Babiš hat das Vertrauen des Parlaments.

Jan Hamáček und Andrej Babiš  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Gegen 1.30 Uhr – nach fast 16 Stunden Schlagabtausch im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses – verkündete Parlamentspräsident Radek Vondráček das Ergebnis: 105 Abgeordnete haben für die Minderheitsregierung von Ano-Parteichef Andrej Babiš mit den Sozialdemokraten gestimmt, 91 waren dagegen. Drei Parlamentarier der Koalition und der Kommunisten stimmten nicht ab. Der Sozialdemokrat Milan Chovanec und der Kommunist Zděnek Ondráček sagten, sie würden aus Gewissensgründen verzichten. Ein Ano-Politiker war nicht anwesend.

Der Premier Babiš selbst eilte nach der Abstimmung zum Nato-Gipfel nach Brüssel. Der Sozialdemokraten-Chef, Innenminister sowie Interims-Außenamtschef, Jan Hamáček, zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis:

„Nach langer Zeit haben wir endlich eine Regierung mit Vertrauen im Parlament, und die Sozialdemokraten haben ein Maximum dafür geleistet. Nun liegt es an uns, die Versprechen gegenüber unseren Wählern zu erfüllen. Die Debatte war scharf, doch das ist bei der Vertrauensfrage normal. Auch die Dauer der Sitzung lag im Rahmen der Erwartungen.“

Vojtěch Filip  (rechts). Foto: ČTK / Michal Krumphanzl
Kommunisten-Chef Vojtěch Filip ist ebenso erleichtert. Seine Partei will das Kabinett die kommenden drei Jahre tolerieren:

„Ich bin davon überzeugt, dass dies eine gute Nachricht ist für die Bürger Tschechiens. Es ist aber auch eine gute Nachricht für die Kollegen in der Europäischen Union sowie für die Finanzmärkte.“

Gerade die Zusammenarbeit der Koalition mit den Kommunisten sorgte – neben den polizeilichen Ermittlungen gegen Andrej Babiš – für scharfe Kritik bei den konservativen Oppositionsparteien. Die Rede war sogar vom Anbruch einer zweiten, nachdemokratischen Republik in Tschechien. Petr Fiala ist Parteivorsitzender der Bürgerdemokraten:

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
„Man kann hier von einer halbkommunistischen Regierung sprechen. Das erste Mal in der demokratischen Geschichte Tschechiens haben die Kommunisten Anteil an der Macht. Außerdem ist die Regierung nicht vollzählig, denn das wichtige Außenministerium ist nicht besetzt.“

Die Opposition heizte dementsprechend die Stimmung im Plenarsaal auf. Zahlreiche Anwürfe gingen dabei vor allem auf das Konto der Kommunisten, zum Teil wurden die Repliken sehr persönlich. Die Stimmung kippte völlig, als der Top-09-Fraktionsvorsitzende Miroslav Kalousek die Stasi-Vorwürfe gegen Babiš hervorholte. Da platzte dem Premier der Kragen:

„Ich weiß nicht, wie viele Promille der Säufer Kalousek wieder in sich hat. Vielleicht genauso viel wie die da draußen. Der ist doch wieder besoffen, wie immer halt. Kalousek, du Verbrecher! Du wirst mich nicht beleidigen! Und auch nicht meine Kinder!“

Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude  (Foto: Martina Schneibergová)
Mit „die da draußen“ meinte Babiš die Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude. Einige Hundert Menschen protestierten gegen die Unterstützung der Regierung durch die Kommunisten. Dabei gaben sich auch Politiker der Opposition auf der Bühne die Klinke in die Hand. Kurz vor der eigentlichen Abstimmung drohte die Lage zu eskalieren, und zwar als sich Andrej Babiš den Demonstranten stellen wollte. Da flogen dem Regierungschef Gegenstände entgegen und eine Flasche verfehlte ihn nur knapp.