Ein Europäer in Prag – Neues Denkmal für Rainer Maria Rilke

Denkmal für Rainer Maria Rilke (Foto: ČTK)

Vor 140 Jahren wurde der deutschsprachige Schriftsteller Rainer Maria Rilke in Prag geboren. Seit Mittwoch gibt es dort nun ein neues Denkmal – zu seinen Ehren, aber auch als Symbol für das vielsprachige Mitteleuropa. Die Realisierung hat länger gedauert als geplant. Dabei hat sich gezeigt, dass Rilke in seiner Geburtsstadt noch nicht ganz angekommen ist.

Ernst Ulrich von Weizsäcker  (links)  (Foto: ČTK)
„Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft werden weniger ... Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen.“ Das sind die letzten Verse aus Rainer Maria Rilkes Neunter Elegie. Sie stehen in deutscher und tschechischer Sprache auf dem neuen Rilke-Denkmal in Prag.

Zur Enthüllung ist auch der deutsche Wissenschaftler, Ökologe und Politiker, Ernst Ulrich von Weizsäcker, angereist. Er engagiert sich schon seit langem für die Rilke-Stiftung. Für ihn hat dieses Denkmal eine besondere Bedeutung.

„Es symbolisiert die Zusammengehörigkeit von zwei wichtigen Kulturen und Kulturkreisen, dem slawischen und dem germanischen. Mitteleuropa war vor hundert Jahren eine große kulturelle Realität und ist dann durch die Gräuel der Nazizeit kaputt gemacht worden und dann durch den Eisernen Vorhang. Und muss jetzt wieder aufgebaut werden.“

Das Denkmal wurde durch die Hand des tschechischen Bildhauers Stanislav Kolíbal geschaffen. Es steht im siebten Prager Stadtbezirk, mit dem Rilke sehr verbunden war. Ein ähnliches Monument gibt es seit 2007 in etwas größerer Ausführung in Berlin. Beide Denkmäler entstanden auf Initiative des Vorsitzenden der Europäischen Rainer Maria Rilke-Stiftung, Jiří Kostelecký. Weizsäcker würdigt dessen Engagement.

„Jiří Kostelecký hat mir immer wieder gesagt, wie wichtig es ihm ist, dass in Prag, der Geburtsstadt von Rilke, in einem Monument an ihn gedacht wird. Es kommt auch noch ein Bild hinzu, das ist bis jetzt noch nicht da. Das heißt, es wird auch ein Schönheitsmagnet.“

Vladimír Franz  (links)  (Foto: ČTK)
Ursprünglich sollte das Denkmal schon vor drei Jahren an einem anderen Standort eingeweiht werden. Auch mit der Alternative auf dem Řezáč-Platz gab es vorerst Schwierigkeiten. Einige Anwohner stellten sich dagegen. Die Begründung: Rilke schrieb deutsch. Auch eine Umbenennung des Platzes lehnten sie ab. Der Platz, auf dem das Rilke-Denkmal nun steht, ist nach dem tschechischen Schriftsteller Václav Řezáč benannt.

Ganz anders als die Anwohner sieht es Weizsäcker. Für ihn ist Rilke ein Europäer, egal ob Deutscher oder Tscheche.

„Rainer Maria Rilke ist als Deutscher in der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie in Prag geboren worden. Und gestorben ist er als tschechoslowakischer Staatsangehöriger in der Schweiz. Das ist ein Symbol für die Vielvölkereigenschaft von Europa.“

Der Berater des Kulturministers, Vladimír Franz, bekräftigt Weizsäckers Standpunkt zu Rilke.

„Er ist sozusagen einer der ersten großen Mitteleuropäer und Dichter von Weltrang. Meiner Meinung ist es daher schon eine Schande, dass Prag diesen weltberühmten Spross so lange vergessen hat.“

Autor: Barbara Sende
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