Braunkohle in Nordböhmen: Anwohner und Bergleute protestieren gegen Pläne des Industrieministers

Foto: ČTK

Demnächst entscheidet die tschechische Regierung, ob in Nordböhmen weiter Braunkohle abgebaut wird oder ob die Förderung auslaufen soll. Industrieminister Jan Mládek (Sozialdemokraten) hat vor kurzem verschiedene Vorschläge aufs Tapet gebracht, die sowohl die Grubenarbeiter als auch die Anwohner der Fördergebiete zufriedenstellen sollen. So richtig gelungen ist ihm das aber nicht. Die einen fürchten um ihren Arbeitsplatz, die anderen um ihre Heimat.

Bergleuten protestieren gegen Pläne des Industrieministers  (Foto: ČTK)
600 Bergarbeiter waren am Donnerstag in Bussen nach Prag gekommen. Vor dem Industrieministerium protestierten sie lautstark gegen die Pläne von Ressortchef Jan Mládek. Er spielt derzeit verschiedene Varianten durch, wie es in Nordböhmen weitergehen soll. Bislang gilt ein Beschluss aus dem Jahr 1991. Unmittelbar nach der Wende legte die damalige Regierung fest, dass die Braunkohleförderung auslaufen soll. Die Mitarbeiter der Grube „Tschechoslowakische Armee“ sehen sich in ihrer Existenz bedroht, so auch dieser Demonstrant:



Jan Mládek  (Foto: Archiv des Industrieministeriums der Tschechischen Republik)
„Ich habe mir schon einmal Arbeit suchen müssen. Ich habe in einem Industriewerk gearbeitet, das wurde aber auch geschlossen. Dann bin ich in die Grube. Und jetzt wiederholt sich das vielleicht. Das ist nicht einfach, und es ist keine Arbeit da.“

Weil es noch Braunkohlereserven gibt und die Grubengesellschaft „Nordböhmische Energie“ seit Jahren Lobby-Arbeit betreibt, erwägt die Mitte Links-Regierung nun, weitere Braunkohlereserven jenseits der festgelegten Förderlimits anzuzapfen. Industrieminister Mládek unterstützt einen Kompromissvorschlag, der eine bedingte Erweiterung der Limits vorsieht. Den Bergarbeitern ist das zu wenig. An der Spitze der Demonstranten stand am Donnerstag Gewerkschaftschef Josef Středula:

Josef Středula  (Foto: ČT24)
„Nur die vierte Variante ist es, die einer starken Regierung und einer vernünftigen Politik für die Menschen würdig ist – also einer Regierung, die mehr an die Zukunft denkt, als an ihren eigenen politischen Profit.“

Die besagte vierte Variante sieht vor, dass die Förderlimits von 1991 komplett aufgehoben werden. Für zwei Ortschaften, die unmittelbar an die Gruben grenzen, würde dies das Aus bedeuten. Deshalb demonstrierten in dieser Woche auch die Bewohner von Horní Jiřetín.

Bewohner von Horní Jiřetín  (Foto: ČTK)
„Ich musste in meinem Leben schon zwei Dörfer verlassen. Erst wurde ich aus Hrdlovka ausgesiedelt, dann aus Jenišův Újezd. Und mit 70 Jahren soll ich wieder irgendwohin umziehen? Was wird mit uns geschehen?“,

fragte sich eine Dame im Tschechischen Fernsehen. Zu Wort gemeldet hat sich nun auch die Tschechische Akademie der Wissenschaften. Eine erneute Umsiedlung hält sie für nicht hinnehmbar. Die Lebensbedingungen im nordböhmischen Becken würden sich massiv verschlechtern. Radim Šrám ist der Vorsitzende der Umweltkommission in der Akademie der Wissenschaften:

Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Man muss sich vor Augen halten, wie es in den Regionen in Nordböhmen vor 25 Jahren aussah. Seither ist es gelungen, die Situation zu verbessern. Die Qualität der Luft hat sich bedeutend verbessert, zum einen weil die Wärmekraftwerke modernisiert wurden. Und zum anderen besonders deshalb, weil die Gegend auf Betreiben der Regierung nach 1994 an das Gasnetz angeschlossen wurde.“

Die Empfehlung der Akademie lautet daher, dass höchstens noch 20 Jahre lang Braunkohle gefördert werden soll, und das innerhalb der bestehenden Grenzen. Anfang Februar wird das Kabinett über die Zukunft der Kohle in Nordböhmen beraten. Konflikte sind dabei vorprogrammiert. Mládeks favorisierter Vorschlag sieht nicht die komplette Zerstörung der anliegenden Ortschaften vor, dennoch müssten etwa 170 Familien aus Horní Jiřetín ihre Häuser verlassen. Die Koalitionspartner von KDU-ČSL und von der Ano-Partei sind jedoch auch mit einer Teil-Umsiedlung nicht einverstanden. Selbst Mládeks Parteikollege und Premier Bohuslav Sobotka plädierte bereits dafür, dass Horní Jiřetín unverändert weiter bestehen kann.