Tschechische Eishockeyidole: Der familiäre Výborný bestieg in Wien zweimal den WM-Thron
Das tschechische Eishockey steht vor einem großen Jubiläum. Am 19. November wird der Tschechische Eishockeyverband (ČSLH) den 100. Jahrestag seines Bestehens feiern. Radio Prag bringt dazu eine Serie, in der wir herausragende Vertreter der tschechischen Eishockeyschule verschiedener Epochen vorstellen. Heute: David Výborný.
Teil 4: David Výborný (Jahrgang 1975)
David Výborný ist einer der erfolgreichsten Spieler in der Geschichte des tschechischen Eishockeys. Nach seinem Einstand in der Nationalmannschaft am 11. Februar 1993, als Tschechien bei einem Turnier in Stockholm auf die Auswahl Russlands traf, hat Výborný zwölf Mal an einer Eishockey-Weltmeisterschaft teilgenommen und dabei fünf Mal den WM-Titel gewonnen. Doch so behende der nur 1,79 Meter große filigrane Techniker auf der Eisfläche auch ist, umso weniger redselig ist er gegenüber Journalisten oder Klatschreportern, die etwas mehr über sein Seelenleben als Eishockeycrack wissen wollen.
„Ich denke, dass es sicher der erste Weltmeistertitel war, den wir 1996 in Wien gewonnen haben.“ So kurz und bündig antwortete mir David Výborný auf die Frage, welcher seiner vielen Glücksmomente denn für ihn am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben sei. Der Gewinn der Weltmeisterschaft 1996 in Wien war gleichzeitig der Startpunkt für eine neue Generation von tschechischen Eishockeyspielern, die in großen Lettern eine weitere Erfolgsära in der Geschichte des nationalen Pucksports schreiben sollte. Denn dem WM-Sieg von vor zwölf Jahren ließen die Kufenflitzer um Robert Reichel, Pavel Patera und Martin Procházka, die ebenfalls zu den fleißigen WM-Medaillensammlern zählen, bis 2005 noch vier weitere Titelgewinne folgen. Und dazwischen eingebettet liegt der in Tschechien als größter Erfolg aller Zeiten angesehene Olympiasieg 1998 in Nagano. Dem olympischen Goldmedaillengewinn von vor zehn Jahren wird deshalb eine solch hohe Wertschätzung beigemessen, weil an jenem Olympiaturnier erstmals auch ohne Einschränkung alle der weltbesten Eishockeyprofis teilnehmen konnten und bis auf ganz wenige Ausnahmen auch teilgenommen haben. Darum wird dieses internationale Kräftemessen auch gern und häufig als Jahrhundertturnier bezeichnet.
Eine der wenigen Ausnahmen, die nicht am Olympiaturnier in Nagano teilgenommen haben, war David Výborný. „Ich weiß nicht, warum ich nicht berücksichtigt wurde. Damals habe ich noch nicht in der NHL, sondern mit František Kaberle in Schweden gespielt. Und deshalb waren unsere Chancen auf eine Nominierung wohl geringer“, nennt Výborný einen der möglichen Gründe, weshalb er seinerzeit das olympische Eishockeyturnier von Nagano nur wie Millionen seiner Landsleute vom Fernsehen aus verfolgen konnte. Er, der geniale Passgeber und Torevorbereiter, war also nur Zaungast beim größten Erfolg des tschechischen Eishockeysports. Von daher fragte ich nach, ob es ihn nicht ein wenig gräme, bei diesem einmaligen Triumph nicht dabei gewesen zu sein.„Nein, mich wurmt es ganz sicher nicht. Mich würde es auch nicht ärgern, wenn ich nicht so viele WM-Titel gewonnen hätte. Ich bin froh, dass ich gesund bin und dass ich eine gesunde Familie habe.“
Eine typische Antwort für David Výborný. Möglich, dass er Enttäuschungen, auf die er wenig Einfluss hatte, gut verbergen oder auch wirklich gut verwinden kann. Andererseits aber, und das bestätigte er mir gegenüber ausdrücklich, setzt er andere Prioritäten im Leben. Die Gesundheit sowie das Glück seiner Familie stehen dabei ganz obenan. Und dass er die Gabe habe, gut Eishockey spielen und damit sein Geld verdienen zu können, stehe auf einem anderen Blatt, so Výborný.
David Výborný, der am 22. Januar 1975 in Jihlava / Iglau geboren wurde, ist das Eishockeyspiel buchstäblich in die Wiege gelegt worden. Denn sein Vater František war ebenfalls ein erfolgreicher Crack, wenn auch nur auf nationaler Ebene. Mit dem Armeeclub Dukla Jihlava gewann er in den 1970er Jahren fünf Mal den tschechoslowakischen Meistertitel. Bekannter geworden ist der Vater jedoch als Eishockeytrainer. Mit dem HC Sparta Prag eroberte František Výborný bisher dreimal die Meistertrophäe. Beim ersten Titelgewinn im Jahr 2000 stand auch Sohnemann David im Team der Prager.
Bei Sparta Prag hat David Výborný schon als 16-Jähriger in der Saison 1990/91 auch seine professionelle Laufbahn begonnen. Beim NHL Entry Draft 1993 wählten ihn die Edmonton Oilers in der zweiten Runde als 33. aus. 1994 wechselte er nach Nordamerika und spielte bei den Cape Breton Oilers in der American Hockey League (AHL). Nach nur einem Jahr kehrte er nach Prag zurück. Nach dem bereits erwähnten Meistertitel im Jahr 2000 versuchte David Výborný noch einmal in der NHL Fuß zu fassen. Und es gelang. Mit Ausnahme der Lookout-Saison 2004/05 spielte er von 2000 bis 2008 insgesamt sieben Jahre für die Columbus Blue Jackets. Als Spieler der ersten Stunde hält er mehrere Franchise-Rekorde der Blue Jackets. Er hat die meisten Spiele, Vorlagen, Punkte und die meisten aufeinander folgenden Spiele für die Mannschaft aus dem US-Bundesstaat Ohio bestritten. Kein Wunder, dass er mir entgegnete: „Ich erinnere mich sehr gern an diese Zeit, und diese Erinnerungen werden mich bis zum Ende meines Lebens begleiten. Die NHL ist die stärkste Liga der Welt und ich bin stolz darauf, in ihr gespielt zu haben.“
Auch die Tatsache, in Columbus stets bei einem schwächeren NHL-Team gespielt und dadurch nie die Qualifikation für den Stanley Cup geschafft zu haben, ändert nichts an seiner Zufriedenheit. David Výborný, der Familienmensch, hat demnach außer je einer Saison bei den Cape Breton Oilers und beim schwedischen MoDo Hockey Klubb (1997/98) nur bei zwei Vereinen gespielt – bei den Blue Jackets und beim HC Sparta Prag, für den er jetzt wieder die Stiefel schnürt. Dafür hat er am goldenen Kapitel der tschechischen Nationalmannschaft tatkräftig mitgeschrieben. Im Mai 2005 gewann er mit der Landesauswahl seinen fünften und vorerst letzten WM-Titel. Und das erneut in Wien. Zu diesem Turnier der Superlative, an dem wegen des Lookouts in Nordamerika mehr als 110 NHL-Spieler teilgenommen haben, führte er die tschechische Mannschaft sogar als Kapitän aufs Eis. Ein Beleg auch für seine Führungsqualitäten, über die der kleine drahtige Stürmer zweifelsohne verfügt. Eine späte Genugtuung für den verpasste Olympiasieg?
„Das habe ich nicht als eine Genugtuung angesehen. Ich bin froh und stolz, dass wir in Wien eine gute Mannschaft hatten und die WM dort gewonnen haben. Und daran erinnere ich mich gern.“