Traditionsverein Slavia Prag schon 125 Jahre alt

Foto: Archiv SK Slavia Prag

Am vergangenen Donnerstag hat ein tschechischer Fußball-Traditionsverein ein großes Jubiläum begangen: der SK Slavia Prag feierte den 125. Jahrestag seiner Gründung.

Foto: Archiv SK Slavia Prag
Der SK Slavia Prag wurde am 2. November 1892 gegründet. Der Hauptstadtverein ist damit einer der ältesten Clubs in Tschechien. Und mit 18 Meisterschaften ebenso einer erfolgreichsten. Mehr Titel, nämlich genau doppelt so viele, hat nur Lokalrivale Sparta Prag. Bis 1945, als der Zweite Weltkrieg endlich vorbei war, spielten die Prager zudem eine führende Rolle in ganz Mitteleuropa. Dazu nutzten sie ihre guten Voraussetzungen, erläutert Fußballhistoriker Radek Jelínek:

„Um die Jahrhundertwende kamen viele Wissenschaftler und Industrielle nach Mitteleuropa, doch genauso etliche Fußballsachverständige. Man wollte halt nicht nur Brot, sondern auch Unterhaltung. Die Tschechen waren offen für Neuerungen, die unterhaltsam waren. Und so hat sich der Fußball hierzulande viel früher entwickelt als zum Beispiel in Italien oder Spanien.“

Radfahrabteilung der Sportklub Slavia Prag  (Foto: Archiv SK Slavia Prag)
Der Sportklub Slavia Prag wurde von Studenten gegründet. Sie waren große Verfechter der tschechischen Sache, pflegten die tschechische Sprache und Kultur. Sie gründeten zunächst den Literarischen Verein Slavia und dann eine Radfahrabteilung, aus der die Fußballsparte hervorging. Die Radfahrer waren dabei die ersten, die auch mit dem Ball kickten. Überhaupt hat Slavia den Studenten viel zu verdanken, sagt Jelínek:

„Die Hochschüler waren eine verlässliche Stütze des Vereins. Sie bildeten seine breite Basis, und auch finanziell waren die Prager gesegnet. Eine Zeitlang war Slavia sogar der finanzstärkste Club auf dem europäischen Festland.“

Die Clubfarben von Slavia sind Rot und Weiß. Im Vereinswappen wie auch auf den Dressen in Brusthöhe prangt zudem ein fünfzackiger roter Stern. Weil die Clubfarben zumeist genau in der Mitte der Trikots voneinander geteilt sind, haben die Spieler von Slavia auch den Beinamen „die Zusammengenähten“ bekommen. Und noch eine Saga rankt sich um den Verein: Bis heute wird behauptet, dass Slavia immer der „Hauptstadtclub der Intellektuellen“ gewesen sei. Für Radek Jelínek ist auch dieser Mythos auf die Gründerzeit zurückzuführen:

„Einer der Vereinsgründer war der Gynäkologe Jaroslav Hausman, also ein gebildeter Akademiker. Doch auch mehrere Spieler der Anfangsjahre waren Hochschulabsolventen. Einige arbeiteten später in hohen Funktionen, zum Beispiel als Chef der Bahn oder einer Bank. Ein anderer wiederum war Opernsänger. Viele Slavia-Mitglieder waren also auch große Persönlichkeiten außerhalb des Fußballfeldes.“

Radek Jelínek: „Die Hochschüler waren eine verlässliche Stütze des Vereins. Sie bildeten seine breite Basis, und auch finanziell waren die Prager gesegnet. Eine Zeitlang war Slavia sogar der finanzstärkste Club auf dem europäischen Festland.“

Zu den Komponenten des Erfolgs gehörte auch ein guter Trainer. Und einen solchen hatte Slavia kurz nach der Jahrhundertwende in dem Schotten John William Madden gefunden, so Jelínek:

„Madden übernahm den Trainerposten 1905 und führte die Mannschaft danach ein Vierteljahrhundert lang. Dank seiner Trainingsmethoden war Slavia den Anderen weit voraus. Doch auch Teams wie Sparta Prag oder die Wiener Clubs verpflichteten nach und nach britische Trainer. Diese Vereine waren so der Konkurrenz gegenüber im Vorteil.“

Während sich England als Mutterland des Fußballs versteht, haben die Schweizer den Ruf, ein Vorreiter des Spiels in Kontinentaleuropa zu sein. Doch die benachbarte Österreich-Ungarische Monarchie zog relativ schnell nach. Und im heutigen Tschechien wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts dank Vereinen wie Slavia und Sparta Prag ein sehr erfolgreicher Fußball gespielt. Jelínek nennt die wesentlichen Gründe dafür:

Slavia Prag 1903  (Jan Košek ganz rechts). Foto: Archiv SK Slavia Prag
„Die Länder der Böhmischen Krone waren stark industrialisiert und relativ weit entwickelt. Auch die geographische Lage war günstig, denn viele Handelswege führten über Mitteleuropa. Die Prager Vereine hatten zudem das Glück, dass in anderen Großstädten der Region wie Wien oder Budapest auch schon Fußball gespielt wurde. Durch die relative Nähe dieser Städte kam es zu häufigen Begegnungen, und das förderte natürlich die Leistungsstärke.“

Slavia hatte zudem einen herausragenden Akteur in seinen Reihen:

„Einer der außergewöhnlichsten Spieler dieser Zeit war Jan Košek. In meinen Augen ist er absolut vergleichbar mit Josef Pepi Bican, dem Torjäger Slavias aus der Zeit der Ersten Republik. Jan Košek war zu seiner Zeit einfach überragend und hätte gewiss auch in England spielen können. Er schoss Tore am Fließband, war sehr schnell und technisch beschlagen. Und er hatte einen strammen Schuss, über den gesagt wurde, dass er sogar Holz zum Bersten bringt.“

Jelínek: „Einer der außergewöhnlichsten Spieler seiner Zeit war Jan Košek. Er schoss Tore am Fließband, war sehr schnell und technisch beschlagen. Košek war einfach überragend und hätte gewiss auch in England spielen können.“

Bis zum Ersten Weltkrieg war Slavia Prag einer der stärksten Clubs in Kontinentaleuropa überhaupt. Heutige Top-Vereine wurden reihenweise vom Platz gefegt, darunter der FC Bayern München, der 1906 gegen die Prager mit 0:13 unter die Räder kam. Es gab damals zwar noch keinen übernationalen Wettbewerb, doch die internationalen Vergleiche hatten dennoch einen ganz besonderen Stellenwert, erklärt Jelínek:

„Es ist richtig, dass seinerzeit auf internationaler Ebene eigentlich nur Freundschaftsspiele ausgetragen wurden, doch diese hatten durchaus Zündstoff und Prestige. Zum einen, weil in den Vereinsmannschaften fast ausschließlich Spieler eines Landes kickten, was die Rivalität anheizte. Zum anderen aber auch aus finanziellen Gründen. Denn wenn eine Mannschaft als Gast anreiste, um nur den eigenen Stiefel herunterzuspielen, dann wurde sie nicht mehr eingeladen. Oder ihr wurde kein gutes Startgeld mehr gezahlt.“

Slavia Prag 1918  (Foto: Archiv SK Slavia Prag)
Für Slavia traf dies aber nie zu. Im Gegenteil, weil die Prager sehr guten Fußball spielten, waren sie international gefragt und wurden gut prämiert. Die Finanzkraft von Slavia war so auch außerordentlich stark. In den heimischen Gefilden war sie zum Beispiel um fast das Zehnfache höher als die des nicht minder ruhmreichen DFC Prag. Und Slavia gelang zudem ein Novum:

„Ein interessanter Fakt ist auch der, dass Slavia Prag im Jahr 1908 die erste Mannschaft vom europäischen Festland war, die den britischen Proficlub aus Middlesborough schlagen konnte. Slavia gewann zu Hause mit 3:2. Die britischen Vereine traten damals nur auswärts an, weil sich auf der Insel kaum einer für den kontinentalen Fußball begeistern konnte.“

In den 1920er Jahren gab Slavia so eine Zeitlang auch den internationalen Spielen Vorrang vor der eigenen tschechoslowakischen Liga, die 1925 gegründet wurde. Dadurch hatte es Lokalrivale Sparta etwas einfacher, die ersten beiden Meisterschaften zu gewinnen. Nachdem jedoch ab 1925 die Kicker des Landes offiziell als Profispieler geführt werden durften, wurde auch in der Tschechoslowakei besser gezahlt. Und die Prager Mannschaften, die zuvor mehr oder weniger nur eine lokale Meisterschaft austrugen, bekamen stärkere Konkurrenz. Als ihre ärgsten Wiedersacher entpuppten sich dabei die Vereine aus Teplice / Teplitz und Brno / Brünn sowie einige Teams aus der Slowakei, denen nun auch die verbesserten Verkehrswege entgegenkamen. Die heimische Liga wurde so auch für Slavia attraktiv, auch weil sich die Leistungsschere schloss und der Vorsprung der Prager schrumpfte.

Juventus Turin - Slavia Prag im Mitropapokal 1932  (Foto: YouTube)
Von 1927 bis 1940 wurde indes auch der erste kontinentale Wettbewerb ausgespielt, der sogenannte Mitropapokal. Er wird als Vorgänger des Europapokals beziehungsweise der Champions League angesehen, und Slavia Prag war einer seiner maßgeblichen Protagonisten:

„Soweit ich weiß, war Slavia im mitteleuropäischen Mitropacup der einzige Club, der an allen Jahrgängen teilnahm. Keinem anderen Verein gelang es, sich Jahr für Jahr dafür zu qualifizieren. Das heißt, Slavia wurde in der nationalen Liga stets Erster oder Zweiter. Das hat kein Verein aus Österreich oder Italien geschafft. Slavia gewann den Pokal zwar nur einmal, doch sehr oft stießen die Prager bis ins Halb- oder Viertelfinale vor.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Neuaufteilung Europas gerieten die Mannschaften aus der Tschechoslowakei jedoch mehr und mehr ins Hintertreffen. Die Fußballer in dem nun sozialistischen Land, die als Staatsamateure galten, konnte mit den Profikickern im Westen nur noch teilweise mithalten. Am ehesten noch als Teil der Nationalmannschaft, denn mit dieser wurde die Tschechoslowakei 1976 immerhin Europameister und 20 Jahre später stand sie ein zweites Mal im EM-Finale.

Jelínek: „Slavia war im mitteleuropäischen Mitropacup der einzige Club, der an allen Jahrgängen teilnahm. Die Prager gewannen den Pokal zwar nur einmal, doch sehr oft stießen sie bis ins Halb- oder Viertelfinale vor.“

Den 125. Geburtstag feierte Slavia Prag indes ganz international – mit dem Heimspiel gegen den Villarreal CF in der Europa League. Gegen die technisch starken Spanier standen die Rot-Weißen allerdings auf verlorenem Posten, sie unterlagen mit 0:2. Trainer Jaroslav Šilhavý zog nach der Partie dieses Fazit:

„Wir haben gegen einen ausgezeichneten Gegner verloren. Die erste Halbzeit war indes von unserer Seite auch nicht gut. Wir haben zu ängstlich und nervös gespielt. Nach dem Seitenwechsel stand eine andere Slavia-Mannschaft auf dem Platz. Villarreal war zwar weiter durch Konter gefährlich, doch wir haben das Geschehen weitgehend bestimmt und hatte auch einige gute Chancen. Leider haben wir keine genutzt, wenigstens ein Tor hätten wir aber verdient.“

Tomáš Souček  (Foto: Archiv SK Slavia Prag)
Für Mittelfeldspieler Tomáš Souček war jedoch allein die Begegnung selbst ein unvergessliches Erlebnis, vor allem wegen der eigenen Zuschauer:

„Unsere Fans haben uns toll unterstützt. Auch nach dem frühen Rückstand haben sie uns immer wieder nach vorn gepeitscht, was auch der Gegner gespürt hat. Wir haben gedrückt, doch leider kein Tor erzielt. Unsere Fans aber waren einfach phantastisch.“

In der Gegenwart ist Slavia Prag international also längst nicht mehr so erfolgreich wie bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Dafür leben die lange Tradition und die Erinnerung. Zum Beispiel an den legendären Torhüter František Plánička. In Würdigung der Leistungen des Vize-Weltmeisters von 1934 wurde vor der Begegnung mit Villarreal eine Tribüne im schmucken Slavia-Stadion nach ihm benannt. Andere große Slavia-Spieler ihrer Zeit waren die Torjäger Antonín Puč und Pepi Bican, in den jüngeren Jahren waren es die Stürmer František Veselý, Pavel Kuka oder Vladimír Šmicer.

Autor: Lothar Martin
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