Nepomuk-Kirche auf dem Hradschin: Dientzenhofers erster Bau

Johannes-Nepomuk-Kirche (Foto: Martina Schneibergová, Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)

Die Johannes-Nepomuk-Kirche befindet sich nur etwa 200 Meter vom Hradschiner Platz entfernt. Dennoch steht sie ein wenig im Schatten der Sakralbauten auf der touristischen Hauptroute vom Strahov-Kloster über den Loreto-Platz zum Veitsdom. Dabei handelt es sich um den ersten Kirchenbau des namhaften Barockarchitekten Kilian Ignaz Dientzenhofer.

Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Wenn man durch die Burgvorstadt Nový svět / Neue Welt durch die gleichnamige Straße Richtung Hradschiner Platz geht, kommt man in die Straße U kasáren. An der Ecke gegenüber der Mündung der Kanovnická-Straße weckt die imposante Barockfassade der Johann-Nepomuk-Kirche die Aufmerksamkeit. Während der Nacht der Kirchen Ende Mai war sie genauso wie zahlreiche andere Sakralbauten zugänglich. Viele Prager nutzten daher die Gelegenheit, die nur selten geöffnete Kirche zu besichtigen. Nicht nur die Architektur, sondern auch die Musik lockte viele Passanten an.

Das Quintett der Burgwache musizierte vor dem Altar. Am Eingang begegnete man einigen Militärgeistlichen verschiedener Glaubensbekenntnisse. Sie antworteten den Besuchern auf ihre Fragen, die meistens den Seelsorgedienst in der Armee betrafen. Nach einem Gebet für Gefallene und alle Verstorbenen folgte eine Führung durch das Innere. Die Barockkirche wurde ursprünglich für den Ursulinenorden erbaut, der auf dem Hradschin ein Kloster hatte. Die Ordensschwestern kümmerten sich damals um Töchter aus Adelsfamilien und besuchten mit ihnen Gottesdienste in der Kapuzinerkirche auf dem Hradschin. Anfang des 18. Jahrhunderts beschlossen die Ordensschwestern, eine eigene Kirche errichten zu lassen. Die ersten Pläne dafür stammen aus dem Jahr 1713. Der Grundstein für die Kirche wurde 1720 gelegt, der erste Entwurf für den Bau stammte von Christoph Dientzenhofer. Nach seinem Tod im Jahre 1722 überarbeitete sein Sohn Kilian Ignaz den Entwurf und überwachte die Arbeiten. Die Johannes-Nepomuk-Kirche wurde damit zu seinem ersten Bauwerk. Zdeněk Peterka verwaltet heute die Kirche:

Johannes-Nepomuk-Kirche  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Es ist interessant, dass der Bau einschließlich der Fresken bereits 1728 beendet wurde. Die Fresken stellen Ereignisse aus dem Leben von Johannes Nepomuk dar. Nepomuk wurde aber erst ein Jahr später heiliggesprochen. Am 21. August 1729, also ein halbes Jahr nach der Heiligsprechung, wurde die Kirche Johannes Nepomuk geweiht. Es ist eine der ersten Kirchen überhaupt, die diesem Heiligen geweiht worden sind. Die Ursulinen nutzten nicht lange die neue Kirche, denn 1784 wurde ihr Kloster auf dem Hradschin geschlossen. Die Nepomuk-Kirche ging damit an die kaiserliche Armee. Jahrzehnte lang diente der Sakralraum als Lagerhalle für Salz. Erst seit 1861 wurde der Bau erneut für religiöse Zwecke genutzt – als evangelische Kirche der Prager Militärverwaltung.“

Bis 1902 diente die Kirche dann den evangelischen Militärgeistlichen. Als die Sankt-Adalbert-Kirche wegen des Baus des Gemeindehause abgerissen wurde, wurden das Mobiliar und die Gemälde aus dieser Kirche in die Nepomuk-Kirche gebracht. Die Nepomuk-Kirche war dann bis 1948 eine katholische Militärkirche für die Kadettenschule, die sich in der Nähe des Belvedere befand. Während des Zweiten Weltkriegs war die Kirche jedoch geschlossen. Zdeněk Peterka:

Johannes-Nepomuk-Kirche  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Nach 1948 wurde die Militärseelsorge verboten, die Geistlichen wurden ins Gefängnis gesteckt. Die sozialistische Armee wusste nicht, was sie mit einer Kirche anfangen sollte. Schließlich wurden drei Möglichkeiten vorgeschlagen, um den Barockraum zu nutzen: Erstens hätte hier ein Kino entstehen können. Zweitens dachten die Armeevertreter daran, einige Etagen in die Kirche einzubauen, um dort ein Depot zu errichten. Drittens überlegte man, die Kirche in einen Turnsaal umzuwandeln. Zum Glück wurde keine der drei Ideen umgesetzt. Die Kirche verkam, und in der Krypta wurde ein Atombunker eingerichtet. Bis heute blockiert eine 500 Kilo schwere Tür die Krypta, sie wird wahrscheinlich von niemandem mehr geöffnet.“

1998 wurde der Seelsorgedienst in der Armee wieder eingeführt. Und 2001 stellte man die Johannes-Nepomuk-Kirche den Streitkräften zur Verfügung. Am 1. Mai 2002 wurde die Kirche nach 54 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

Beim Betreten der Kirche ziehen vor allem die zahlreichen Fresken die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Architekt Kilian Ignaz Dientzenhofer ließ das Interieur vom namhaften Barockmaler Václav Vavřinec Reiner (Wenzel Lorenz Reiner) schmücken, sagt der Verwalter der Kirche:

Johannes-Nepomuk-Kirche  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Eine Dominante der Kirche ist ihre Kuppel. Dort sind fünf Engel abgebildet, die die typischen Attribute von Johannes Nepomuk tragen. Dazu gehören das Kreuz, ein Palmenzweig sowie ein Lorbeerkranz. Jeder der Engel hält zudem einen Stern in der Hand, aus dem ein Lichtstrahl zu den Fresken führt, die rund um die Kuppel gemalt wurden. Die Wandmalereien schildern wichtige Ereignisse, die mit Johannes Nepomuk zusammenhingen. Über dem Presbyterium ist beispielsweise die Wunderheilung von Terezie Veronika Krebsová zu sehen. Diese Wunderheilung spielte eine wichtige Rolle bei Nepomuks Heiligsprechung.“

Die weiteren Geschichten, von denen sich Reiner bei seinen Wandmalereien inspirieren ließ, sind Peterka zufolge weniger bekannt als die Wunderheilung von Terezie Krebsová. Auf der linken Seite ist beispielsweise ein mit Unrecht verurteilter Familienvater abgebildet, der hingerichtet werden sollte. Der Mann betete im Gefängnis, damit seine Unschuld bewiesen werde. Kurz vor der Hinrichtung wurde ein Zeuge gefunden, der die Unschuld des Mannes bezeugen konnte. Ein Rätsel für die Kunsthistoriker stellt die Wandmalerei über dem Kircheneingang dar, sagt Peterka:

Johannes-Nepomuk-Kirche  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Ein Mann, der wie ein Priester gekleidet ist, wird gerade von einem Maler gemalt. Das Bild wird sehr unterschiedlich gedeutet. Eine der Erklärungen ist, dass die Barockmaler, wenn sie einen Heiligen malen sollten, hofften, dass er ihnen erschien – und zwar, wenn sie sich ehrlich bemühten, ihn zu malen. Und wenn ihnen der Heilige im Traum erschien, wussten die Künstler, wie er ausgesehen hatte und konnten ein besseres Portrait von ihm machen. Ich möchte noch auf eine weitere Wandmalerei hinweisen. Die Freske über der Orgel stellt dar, wie Johannes Nepomuk gefoltert und in die Moldau geworfen wird. Auf der linken Seite unter der Nepomuk-Gestalt ist die Signatur von Václav Vavřinec Reiner mit der Jahreszahl 1727 zu sehen. Es wird vermutet, dass Reiner dem gefolterten Nepomuk sein eigenes Gesicht verlieh und damit ein Selbstportrait schuf.“