Poetische Sprache und saftige Dialoge

Jaroslav Rudiš (Foto: Klára Stejskalová)

Der Lohrbär-Verlag aus Regensburg hat Jaroslav Rudišs Roman „Grandhotel“ als Hörbuch herausgebracht.

Jaroslav Rudiš  (Foto: Klára Stejskalová)
Fleischman nennt sich der Protagonist des Romans. Seinen Vornamen habe er verloren, sagt er. Fleischman arbeitet als Page im Grandhotel auf dem Berg Ještěd / Jeschken. Dies ragt hoch über dem „Pisspott Europas“, der Stadt Liberec / Reichenberg, wie eine silberne Nadel in den Himmel. Im Hotel trifft sich eine Gesellschaft von Gestrandeten. Und Fleischmann ist von ihnen wohl der Sonderbarste.

Jaroslav Rudiš hat sein Buch bereits 2006 veröffentlicht. Verleger Dieter Lohr hat daraus in diesem Herbst eine Geschichte zum Hören gemacht:

„Der Text schreit geradezu danach, verhörbucht zu werden. Wenn man ihn sich durchliest, ist dort diese einfache, unheimlich poetische Sprache von diesem Fleischman, sogar noch in der Übersetzung. Dazwischen gibt es saftige Dialoge. Das muss einfach mit verteilten Rollen gelesen werden.“

Den Fleischman spricht und liest Matthias Winter. Für Dieter Lohr eine eindeutige Wahl, auch weil der Held der Geschichte eine sehr dominante Rolle einnimmt.

„Matthias Winter ist ein großartiger Sprecher, sehr flexibel und vielseitig. Ich kenne ihn als Regisseur, als Theaterintendant, auch als Sänger und Sprecher – wir haben schon zusammengearbeitet und gemeinsam ein Schulprojekt gemacht. Meine Entscheidung für ihn habe ich sicher nicht bereut.“

„Grandhotel“ ist nicht das erste Stück tschechischer Literatur, das der Lohrbär-Verlag als Hörbuch herausgegeben hat:

Roman „Grandhotel“  (Foto: Der Lohrbär-Verlag)
„Die tschechophile Ecke haben wir seit ungefähr zehn Jahren. Damals haben wir zusammen mit Arthur Schnabl eine Böhmen-Anthologie gemacht. Sie heißt ‚Das Leben ist zum Verrücktwerden schön – böhmische Geschichte literarisch‘. Da wurde die böhmisch-tschechische-tschechoslowakische Geschichte in literarischen Texten erzählt. Es handelt sich also nicht nur um Geschichte, sondern auch um einen Querschnitt durch die Literatur des Landes. Und mir ist eigentlich erst beim Machen dieses Hörbuches aufgefallen, dass es Nationalgeschichten in dem Sinn überhaupt nicht gibt.“

Zum Tschechien-Bereich gehören auch eine Mähren-Anthologie, Otfried Preußlers „Flucht nach Ägypten“ – und nun „Grandhotel“, das in Preußlers Heimatstadt spielt. Gerade in Liberec vermischen sich die tschechische und die deutsche Vergangenheit – in Rudišs Roman beispielsweise durch die Figur von Franz, dem 80-jährigen Sudetendeutschen:

Autor Jaroslav Rudiš ist in Deutschland längst kein Unbekannter mehr. Zum Teil lebt er in Berlin, spricht sehr gut Deutsch. Dieter Lohr wollte aber bewusst ein älteres Werk von Rudiš als Hörbuch herausgeben:

„Das Buch ‚Nationalstraße‘ von Rudiš ist momentan in aller Munde und sogar auf mehreren Bühnen. ‚Vom Ende des Punks in Helsinki‘ ist mit großem Hallo gefeiert worden und die Graphic Novel ‚Alois Nebel‘ sowieso – sie ist ja auch verfilmt. Das ist alles schön und recht. Aber Rudišs ältere Bücher sind in Deutschland nicht so großartig herausgekommen. Das ist unheimlich schade. Gerade ‚Grandhotel‘ ist solch ein tolles Buch, das einen größeren Bekanntheitsgrad verdient. Und wenn ich etwas dazu beitragen kann, freut mich das natürlich.“

Autor: Till Janzer
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