Richard Šulko – der letzte Egerländer in Tschechien, der in Mundart schreibt

malaboum_plakat.jpg

Er sei der letzte in Tschechien lebende Autor, der in Egerländer Mundart schreibt, sagt Richard Šulko, mit dem Hausnamen „Måla Richard“. Er ist im Egerland aufgewachsen und lebt dort auch bis heute. Šulko schreibt Geschichten und Gedichte in der Mundart seiner Vorfahren mütterlicherseits. Zudem singt er Lieder, die aus seiner Heimat stammen. Mit einem Programm, das aus einer Lesung und Musik bestand, ist der Egerländer am vergangenen Freitag im Prager Haus der Minderheiten aufgetreten.

Richard Šulko  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Šulko, sind Sie wirklich der letzte Egerländer in Böhmen, der in der Mundart der Region schreibt?

„Ja, ich denke schon. Ich kenne keinen anderen Egerländer, der in Mundart schreibt und in Tschechien lebt. Das kann ich bestätigen.“

Wie haben Sie in Ihrer Kindheit zu Hause gesprochen: Tschechisch oder auch Egerländisch?

„Das war unterschiedlich. Ich bin in einer Mischehe aufgewachsen, meine Mutter war eine Deutsche, eine Egerländerin, mein Vater war Slowake. Zu Hause haben sie sich auf Tschechisch unterhalten. Aber jedes Wochenende und die Ferien habe ich bei meiner Urgroßmutter in Plachtín verbracht. Sie sprach Egerländisch, aber kein Hochdeutsch. Bis zu meinem 17. Lebensjahr, als meine Urgroßmutter starb, habe ich Egerländisch geredet.“

Versteht Sie das Publikum, wenn Sie Ihre Gedichte vorlesen?

„Doch, in Bayern sowieso. Das Deutsche ist ja nicht so weit entfernt. Ich schätze, dass deutsche Gäste etwa 80 Prozent verstehen. Und Bayern, Oberpfälzer und Egerländer verstehen alles gut.“

„Deutsch ist meine Wahlmuttersprache.“

Ist es für Sie natürlich, in Egerländer Mundart zu schreiben?

„Natürlich ist es für mich, Deutsch zu schreiben. Deutsch ist meine Wahlmuttersprache. Deswegen schreibe ich Artikel in Deutsch und nicht in Tschechisch. Dabei war ich ausschließlich auf tschechischen Schulen, Deutsch habe ich nur an der Sprachschule gelernt. Ich mache Fehler, aber ich kann auf Deutsch das besser zum Ausdruck bringen, was ich will.“

Zither  (Foto: Martina Schneibergová)
Gibt es Wörterbücher, in denen Sie die Begriffe in der Mundart bei Bedarf nachschlagen können?

„Ja schon. Es gibt einige Wörterbücher, ich habe ein kleines Wörterbuch von meinem Großonkel zu Hause. Wenn ich in Mundart schreibe, kommt es manchmal vor, dass ich einen Begriff suchen muss oder erfragen muss – bei meiner Mutti. Als meine Oma noch lebte, habe ich sie gefragt. Es gibt Sachen, die man nur in Mundart zum Ausdruck bringen kann. Mundart ist die Heimatsprache.“

Ihre Lesung ergänzen Sie um Lieder aus dem Egerland. Ihr Sohn begleitet Sie an der Zither. Woher stammen die Lieder, die Sie auch in Prag gesungen haben? Haben Sie die Melodien von zu Hause gekannt?

„Von zu Hause habe ich fast nichts gekannt. Als ich noch klein war, hat meine Urgroßmutter ein paar Lieder gesungen. Das ist aber alles verloren gegangen. Bis 1989 gab es bei uns keinen deutschen Verein. Wenn wir in der Familie zusammengetroffen sind, wurden keine Lieder aus dem Egerland gesungen. Nach der Wende habe ich Schallplatten und Kassetten mit Egerländer Liedern bekommen. Da habe ich festgestellt, dass ich einige davon schon in meiner Kindheit gehört habe. Die meisten Deutschen aus dem Egerland wurden vertrieben. Ich habe die Lieder also sozusagen ,zurückimportiert‘ – genauso wie die Volkstrachten.“

„Mundart ist die Heimatsprache.“

Sind es Kunstlieder, deren Komponisten man kennt, oder eher Volkslieder?

„Beides würde ich sagen: Etwa 80 Prozent sind Volkslieder. Die Musik ist meistens volkstümlich. Das Lied über die Gärtnerin und ihre Liebe, das ich auch gesungen habe, ist ein sogenanntes ,Kuchenlied‘, das die Frauen in der Küche gesungen haben. Es kann sein, dass das Lied ein Wandermusikant, von denen es frühere Hunderte gab, mitgebracht und verbreitet hat.“

Sie haben mit den Liedern auch beim internationalen Folklorefestival im mährischen Strážnice teilgenommen und treten mit den Lesungen an verschiedenen Orten Tschechiens auf. Wann gibt es die nächste Veranstaltung?

„Das Projekt mit den Lesungen, das auch vom deutschen Bundesministerium des Inneren unterstützt wird, läuft schon das dritte Jahr. Wir sind wie die wandernden Musikanten – am Wochenende setzen wir uns ins Auto und besuchen drei Orte, an denen wir auftreten. Am 26. Juli besuchen wir Gablonz, wir treten im Haus der Deutsch-Tschechischen Verständigung in Reinowitz (Rýnovice, Anm. d. Red.) auf.“

Wie ist es mit Ihrem Namen? Sie heißen Richard Šulko, zudem auch Måla Richard…

„Richard Šulko ist mein bürgerlicher Name, und Måla Richard ist der Hausname. Mein Urgroßvater war Maurer und hat auch Trompete gespielt. Die Maurer haben früher auch mit Kalk das Haus angemalt, daher der ,Måla‘. Mein Urgroßvater hieß Wenzel Löw, daher der Måla Wenzel. Und meine Mutti ist die Måla Friede, ich bin der Måla Richard. So entstanden die Hausnamen. Die Hausnamen sind mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Sie gehören aber zu unserer Identität genauso wie die Lieder, der Hausbau oder die Volkstrachten.“

„Die Hausnamen sind mit der Zeit in Vergessenheit geraten.

Die Lesungen und alles um die Egerländer Mundart ist eigentlich Ihr Hobby. Wie finden Sie die Energie und die Zeit dafür?

„Ich mache es ehrenamtlich, weil es mir Spaß macht. Zweitens ist es eine Ergänzung meiner Identität. Unsere Familie hat immer in Plachtín oder seiner Umgebung gelebt. Es gibt dafür Finanzierungsmöglichkeiten – unter anderem vom Kulturministerium oder dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Vor zwei Jahre habe ich eine Mariensäule aufgestellt, darauf steht ein Zitat aus dem Matthäus-Evangelium über die Gaben, die Talente, die man bekommt. Wenn man von Gott oder – wenn man nicht gläubig – vom Schicksal oder Universum bestimmte Talente erhält, sollte man sie nutzen. Wenn man zwei- oder dreisprachig ist und fähig ist, Projekte zu verwirklichen, muss man das tun, um dies für die folgenden Generationen aufrechtzuerhalten.“