Tomáš Baťa: Der Geist von Zlín lebt wieder auf

Tomáš Baťa (Foto: ČT24)

Baťa gehört zu Zlín, wie der Wein zu Mähren. Nun wird die Gedenkstätte des Industriellen renoviert.

Geschwister Tomáš,  Antonín und Anna Baťa  (Foto: Archiv Thomas Bata Foundation,  Public Domain)
1894 gründeten die Geschwister Tomáš, Antonín und Anna Baťa im ostmährischen Zlín eine kleine Schusterwerkstatt. Ihre Produktion wuchs aber schnell und fand guten Absatz. Sprunghaft stiegen auch ihre Gewinne. Wenige Jahre nach der Gründung hatte der Betrieb eine Belegschaft von 120 Arbeitern. 1908 wurde Tomáš Baťa zum alleinigen Eigentümer des Unternehmens.

Wegen der anhaltend erfolgreichen Entwicklung des Betriebs verwandelte sich Zlín, traditionell eine Stadt der Handwerker und Händler, nach und nach in ein bedeutendes Industriezentrum. Während des Ersten Weltkriegs lieferte Baťa mehrere Millionen Paar Schuhe an die österreichisch-ungarische Armee. 1918 belief sich die Zahl der Arbeiter im Werk auf 4000. Die nachfolgende Nachkriegskrise überstand die Firma trotz eines Einbruchs ihrer Produktion und der Schuhpreise. Schon bald stand Baťa wieder an der Spitze.

Zwischen 1923 und 1938 wuchs am Stadtrand von Zlín ein ausgedehntes Betriebsareal mit einigen Dutzend Werksgebäuden heran, ausgestattet mit modernsten Maschinen und Tausenden neuer Arbeiter. Damit änderte sich auch das ganze Stadtbild. Dagmar Nová ist Architektin aus Zlín:

„In rund 20 Jahren wurde Zlín zu einer Großstadt – für damalige Verhältnisse. Die Einwohnerzahl stieg von etwa 4600 zu Beginn der 1920er Jahre auf fast 40.000 im Jahr 1937. Damals diskutierte man im Ausland über theoretische und urbanistische Konzepte zu linearen Vierteln beziehungsweise Gartenstädten. Gerade diese wollten Baťa und seine Mitarbeiter beim weiteren Ausbau Zlíns als hochmoderne Stadt umsetzen.“

Rathaus in Zlín  (Foto: hugo,  Public Domain)
1923 wurde Tomáš Baťa zum Bürgermeister von Zlín gewählt. In diesem Amt fiel es ihm leichter, große städtebauliche Veränderungen in Gang zu bringen. Schon bald begann die Realisierung seiner Vision, Zlín zu einer modernen Stadt im funktionalistischen Baustil zu machen. Von Baťas Ambitionen zeugen seine Kontakte mit renommierten Architekten aus dem In- und Ausland. Darunter auch mit dem legendären Le Corbusier, der bei seinem Besuch in Zlín einen Stadtplan mit Ringbezirken entwarf.

Zlín – Wiege der modernen tschechischen Architektur?

In diesem Zusammenhang muss auch der Name František Gahura erwähnt werden. Der gebürtige Zlíner studierte in Prag Bildhauerei und Architektur. Seinen Abschluss machte er beim namhaften Architekten Jan Kotěra, der zu der Zeit an einem Projekt für ein neues Wohnviertel in Zlín arbeitete. Aufgrund seiner Referenzen kehrte Gahura 1923 in seine Geburtsstadt zurück. Er sollte dort sein Projekt für ein neues Rathaus umsetzen, mit dem er die Stadtverwaltung bei einer Ausschreibung überzeugt hatte. In kurzer Zeit wurde er Mitglied der bautechnischen Abteilung der Firma Baťa und einer der engsten Mitarbeiter seines Chefs. Und nicht nur das. Er entwickelte einen städtebaulichen Entwicklungsplan für Zlín, und das machte aus ihm schließlich einen der wichtigsten tschechischen Architekten der Zeit.

Gedenkstätte von Tomáš Baťa  (Foto: Archiv der Stadt Zlín)
Das Vermächtnis Gahuras in Zlín ist eine Reihe von bedeutenden Baudenkmälern. Eines davon gilt nicht nur in Fachkreisen als eines der architektonischen Meisterwerke in der Architektur der Stadt. Es ist die Gedenkstätte von Tomáš Baťa, die der Architekt nach dessen tragischem Tod 1932 entwarf. Dagmar Nová:

„Die Gedenkstätte wurde nach den Plänen Gahuras in nur ungefähr vier Monaten gebaut, sodass sie schon am 10. Oktober 1933 eröffnet werden konnte. Das war der erste Todestag von Tomáš Baťa. Bis zum Jahresende sollen rund 50.000 Menschen die Gedenkstätte besucht haben. Außer fachkundigen Architekten konnten allerdings nur Wenige erkennen, wie Gahura beim Bau vorgegangen ist. Seine Spezialität waren Quader im Maß von 6,15 Meter auf 6,15 Meter. Mit ihnen ließen sich die Grundrisse eines Gebäudes schnell und einfach erstellen – und das in 3D, wie man heute sagen würde. Er verwendete sie beim Projektieren seiner Fabrikhallen, Büroanlagen und öffentlichen Gebäude. Mithilfe eines standardisierten industriellen Konstruktionssystems schuf Gahura allerdings im Fall von Batas Gedenkstätte ein echtes Kunstwerk. Er nannte es ‚Das Auge in Baťas Seele‘.“

Mehr als nur ein Denkmal

Gedenkstätte von Tomáš Baťa  (Foto: Archiv der Stadt Zlín)
Das Monument entstand aus modernsten Materialien – Beton, Stahl und Glas. Der Architekt Petr Všetečka:

„Dass Gahura mit den von ihm verwendeten Materialien Baťas Eigenschaften wiedergeben wollte, ist etwas, was ich bisher bei keinem anderen Bauwerk außerhalb Tschechiens gesehen habe. Sein Vorhaben bestätigte er in einem Presseartikel. Darin hob er Großzügigkeit, Optimismus, Einfachheit, Offenheit und Wahrhaftigkeit als besondere Charaktereigenschaften von Tomáš Baťa hervor. Eines der Stilmittel in seiner architektonischen Konzeption – die Vertikale – hielt Gahura für ein Symbol des Optimismus. Durch die Reduzierung der Baumaterialien auf Beton, Eisen und Glas, also auf das absolute Minimum, wollte er Baťas Großzügigkeit und Wahrheitsstreben darstellen.“

Der luftig-leicht und transparent wirkende Bau in Gestalt eines Kubus und einem Tragskelett aus senkrechten Stützsäulen sowie verglasten Seitenwänden sollte die rasante Entwicklung der Stadt Zlín wiederspiegeln. Petr Všetečka:

Modell von Batas Privatmaschine Junkers 13  (Foto: Archiv der Kreisgalerie der bildenden Kunst in Zlín)
„Im Gebäude findet man kaum etwas, das nicht Bestandteil von Gahuras präzis durchdachter Komposition ist. Zum Beispiel situierte er den Schwerpunkt aller Achsen, die sich im Konstruktionsprojekt auf verschiedene Weise kreuzen, im Cockpit des aufgehängten Modells von Batas Privatmaschine Junkers 13. Mit ihr stürzte der Industrielle 1932 nahe Zlín auf einem Flug in die Schweiz ab. Auch dieses Moment hat Gahura symbolisch zur Vollkommenheit gebracht. Ich glaube, wer das Gebäude einmal auf einem Foto in seiner ursprünglichen Gestalt gesehen hat, der muss darüber gestaunt haben, mit welch einfachen Mitteln man etwas Immaterielles und Spirituelles zum Ausdruck bringen kann. Genau das muss die Gedenkstätte früher ausgestrahlt haben. Seinerzeit mag sie auch einigermaßen provoziert haben, insbesondere aber in der Zeit des kommunistischen Regimes. Offenbar deswegen musste das Gebäude wesentlich umgebaut werden, um die Spuren von Gahuras Botschaft zu verdrängen.“

Die Baťa-Gedenkstätte und die Wirren der Geschichte

Gedenkstätte von Tomáš Baťa 2009  (Foto: Adam P.,  CC BY-SA 4.0)
Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1948 hat sich vieles verändert. Zlín wurde nach dem ersten „Arbeiterpräsidenten“ Klement Gottwald in Gottwaldov umbenannt. Brutale Eingriffe erlebte auch die architektonische Perle Zlíns, wie heute so mancher Architekt die Baťa-Gedenkstätte nennt. Nach 1954 wurde sie auf beiden Seiten um je einen Anbau erweitert. Eines der zwei Treppenhäuser im Innenraum wurde beseitigt und eine Zentralheizung installiert. Neue Fenster ersetzten funktionalistische Glaswände. Schließlich fand die städtische Bildergalerie ihr Domizil dort und trotz schlechter Akustik sogar die Philharmonie von Zlín. Seit mehreren Jahren steht das Gebäude leer und wurde dem nagenden Zahn der Zeit überlassen. Dann wurde aber nach langen Diskussionen zwischen der Stadtverwaltung und kompetenten Experten beschlossen, dem Gebäude seine ursprüngliche Gestalt von 1933 zurückzugeben. Die Renovierungsarbeiten haben Anfang dieses Jahres begonnen, nach einem Planungsentwurf von Petr Všetečka. Seine Branchenkollegin Dagmar Nová bringt das Vorhaben auf den Punkt:

Tomáš Baťa  (Foto: Archiv Bata Brands SA,  CC BY-SA 3.0)
„Es handelt sich um eine bildhafte Huldigung an Tomáš Baťa, den Begründer der Schuhfabrik in Zlín, sowie um eine Art des Gedenkens an den berühmten Zeitabschnitt des ‚Batismus‘ in der Geschichte der Stadt. Also an Tomáš Baťa, seinen Nachfolger Jan Antonín Baťa und an alle ihre Mitarbeiter.“

Das beliebte Motto von Tomáš Baťa lautete: „Nur das Beste ist für uns gut genug“. Das Gütesiegel „Das Beste“ verdient bestimmt auch die Leistung von František Gahura, dem Mitbegründer der sogenannten Zlíner Architekturtradition. Und das umso mehr, da ihm seine Zusammenarbeit mit der Familie Baťa später zur Last gelegt wurde. 1946 musste er seine Heimatstadt verlassen.

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