EU-Beamte in Brüssel inszenieren Dvořáks Oper „Rusalka“

Foto: Markéta Kachlíková

EU-Beamte sollen auch Menschen sein, die sich für mehr interessieren, als nur für Akten und Tabellen. Mit dieser Idee hat eine Gruppe tschechischer Beamter bei Europäischen Institutionen in Brüssel eine Oper einstudiert: eine moderne Bearbeitung von Antonín Dvořáks „Rusalka“. Sie wurde im November im Kulturzentrum Flagey in Brüssel aufgeführt.

Ladislav Miko  (rechts). Foto: Offizielle Facebook-Seite von Pop Balet
Professionelle Opernsänger in Solo-Parten, das Amateur-Orchester Czech Sinfonietta Brussel, die Amateur-Chöre Brusinky aus Brüssel und En Arché aus Prag und das Prager Tanzensemble Pop Balet: Sie alle haben sich an der Inszenierung der Dvořák-Oper beteiligt. Besonders für die teilnehmenden Laienmusiker war das eine große Herausforderung. Der Chor Brusinky existiert in Brüssel seit 2006. Simona Pohlová singt darin:

„Als Ladislav Miko uns das angeboten hat, zögerten viele von uns. Wir glaubten, dass die Latte zu hoch gehängt wurde. Die Einladung war eine große Herausforderung für unseren Laienchor und auch für das Amateurorchester Czech Sinfonietta Brussels, das vor etwa zwei Jahren entstanden ist.“

Kulturpalast Flagey  (Foto: Busoni,  CC BY-SA 3.0)
Dennoch gelang es im Laufe von mehreren Monaten und in vielen Wochenendproben, die „Rusalka“ einzustudieren. Die Proben fanden an mehreren Orten in Europa statt. Erst einen Tag vor der Premiere kamen alle Beteiligten zu einer gemeinsamen Generalprobe im Studio 1 des Kulturpalastes Flagey in Brüssel zusammen.

Mit Ihnen würde ich mir die ganze Oper zutrauen

Die Vorstellung fand anlässlich des Staatsfeiertages am 17. November unter der Schirmherrschaft der tschechischen Botschafter in Belgien und bei der EU, Martin Povejšil und Jaroslav Kurfürst, statt. Initiator des Projekts und Regisseur der Vorstellung war Ladislav Miko. Er ist in Brüssel der stellvertretende Generaldirektor für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission und leitet den sogenannten Czech Fun Club.

Chor Brusinky  (Foto: Markéta Kachlíková)
„Vor etwa zwei Jahren haben der Chor Brusinky und das Orchester Czech Sinfonietta Brussel in Brüssel zum 10. Jahrestag des EU-Beitritts Tschechiens ein Konzert gegeben. Beide sind Laienensembles, in denen Beamte der EU-Institutionen singen und spielen. Dabei wurden das „Te Deum“ von Antonín Dvořák und auch einige Arien aus der Oper ‚Rusalka‘ gespielt. Wir arbeiteten damals zum ersten Mal mit der Opernsängerin Luisa Albrechtová zusammen, die hier heute die ‚Rusalka‘ singt. Gefürchtet haben wir uns schon davor, wie das Konzert beim Publikum ankommen wird. Es war aber ein großer Erfolg. Damals nach dem Konzert sagte Luisa zu mir, na sehen Sie mal, Sie haben Angst gehabt, aber mit Ihnen würde ich mir zutrauen, die ganze ‚Rusalka‘ zu machen.“

„Rusalky“  (Foto: Markéta Kachlíková)
Der Satz sei ihm ein Jahr lang im Kopf herumgeschwirrt, sagt Ladislav Miko.

„Ich habe gesehen, wie der Chor Brusinky jedes Jahr die Böhmische Weihnachtsmesse von Jakub Jan Ryba singt und wie er von Jahr zu Jahr wächst. Und das qualitativ und quantitativ. Nach den vergangenen Weihnachten ging ich zum Dirigenten Radim Dvořák und sagte zu ihm: ihr schafft das, wir machen die ‚Rusalka‘. Zufällig tanzt meine Tochter im Tanzensemble Pop Balet, daher fiel mir ein, die ‚Rusalka‘ auch in Bewegung darzustellen.“

Reines Mädchen im Chaos der europäischen Metropole

Foto: Markéta Kachlíková
Der Regisseur Miko hat die Brüsseler Inszenierung nicht „Rusalka“ benannt, sondern in der Mehrzahl „Rusalky“:

„Das hat mehrere Gründe. Wir haben uns entschieden, die ‚Rusalka‘ auf eine unübliche Weise zu inszenieren, als Kombination von Konzert- und Tanzaufführung. In jedem Moment sind eigentlich zwei Rusalkas auf der Bühne. Die eine singt, und die andere tanzt. Das ist aber nur einer der Gründe. Nach unserer Interpretation erzählt ‚Rusalka‘ die Geschichte von zwischenmenschlichen Beziehungen in der heutigen Zeit: zwischen den Menschen, die sich gegenseitig nicht verstehen können und sich bemühen, die Missverständnisse durch Liebe zu überwinden. Um uns herum gibt es sehr viele solche Geschichten. Wir sagen eigentlich, es gibt nicht nur eine Rusalka, also nicht nur die Rusalka von Dvořák, sondern viele Rusalkas leben um uns herum. Man muss nur schauen und dann sieht man sie auch.“

Zwei unterschiedliche Welten, die in scharfem Kontrast zueinander stehen. In der Brüsseler Inszenierung stellt Rusalka das Leben auf dem Lande dar, das Band zur Natur, ihrer Schönheit und Energie. In ihrer Sehnsucht nach Liebe ist sie jedoch bereit, diese Welt zu verlassen. Sie ist daraufhin konfrontiert mit der Welt der Großstadt, die sie nicht verstehen kann. Tief enttäuscht will Rusalka zurückkehren, was aber nicht mehr möglich ist. Zu schwer wiegen die schlechten Erfahrungen.

Die Oper wurde für die Brüsseler Aufführung gekürzt, das Märchenlibretto von Jaroslav Kvapil gestrichen und manche Figuren ausgelassen. Zum besseren Verständnis der Handlung trägt eine Videoprojektion im Hintergrund bei sowie der Tanz auf der Bühne. Majka Piskořová Veselá hat die Tanzvorstellung mit ihrem Ensemble Pop Balet einstudiert:

Foto: Offizielle Facebook-Seite von Pop Balet
„Das Ensemble besteht aus Menschen, mit denen ich schon sehr lange arbeite. Sie kommunizieren als Tänzer sehr gut miteinander, weil sie zusammen aufgewachsen sind und Tanz gelernt haben. Im Ensemble herrschen wunderbare Beziehungen. Die Arbeit an der ‚Rusalka‘-Vorstellung war für uns ein großes Erlebnis, sie hat uns wirklich sehr viel gegeben.“

Laut der Choreographin geht es in der „Rusalka“ um die eine Liebe, die so groß ist, dass sie auch töten kann:

„Für mich war eine Sache schwierig: Wenn man in der Oper über etwas singt, singt man sehr lange. Es ist schwer, dies im Tanz zum Ausdruck zu bringen, damit es den Zuschauer nicht müde macht. Wir mussten uns eine Reihe von szenischen Elementen ausdenken, um die Vorstellung für den Zuschauer amüsant zu machen. Ich habe zum Beispiel die Figur der Hexe um weitere vier Personen ergänzt, um eine Geschichte entfalten zu können um den Auftritt.“

Dvořák dirigiert Dvořák

„Rusalky“  (Foto: Filip Kubík,  Archiv des tschechischen Außenministeriums)
Die Proben des Orchesters Czech Sinfonietta Brussel wurden im Februar dieses Jahres aufgenommen, sagt der Orchesterleiter Radim Dvořák. Der Dirigent und Chorleiter arbeitet im Ausschuss der Regionen der EU. Er lobte die Leistung der Musiker nach der Vorstellung:

„Ich bin zufrieden. ‚Rusalka‘ ist aus musikalischer Sicht eine sehr harte Nuss. Die Partitur ist äußerst kompliziert. Insbesondere für die Streicher ist es eine große Herausforderung. Wir müssen in Betracht ziehen, dass zwei Drittel unseres Orchesters Laienmusiker sind, Beamte wie ich. Sie haben nicht so viel Zeit für das Üben. Das Einstudieren einer solchen Partitur stellt für die meisten von uns ein großes zeitliches Problem dar. Außerdem bietet die Komplexität der Partitur keinen Raum für Kompromisse. Das Werk muss gründlich einstudiert werden. Ich hoffe, dass wir heute gezeigt haben, dass es möglich ist. Auch für Laienmusiker, wie in unserem Fall.“

Luisa Albrechtová  (Foto: YouTube)
Die Zusammenarbeit von professionellen Opernsängern mit Musikliebhabern kann für beide Seiten inspirativ sein. Das bestätigen auch die Solisten. Die Sopranistin Luisa Albrechtová hat die Titelrolle gesungen:

„Jede Rusalka-Aufführung hat ihren Zauber. Der Zauber unserer Rusalka beruhte auf der Verknüpfung aller Komponenten. Ich will keine als dominant hervorheben, weil eben die Summe aller musikalischen und künstlerischen Teile zum maßgebenden Effekt beigetragen hat. Wir alle wollen einen gewissen Patriotismus zum Ausdruck bringen und das Wichtigste aus der tschechischen Kultur repräsentieren. Und das ist wohl das Herz.“

Der Tenor Milan Vlček hat in Brüssel den Prinz gesungen:

„Für mich war der Auftritt hier wunderbar. Ich habe den Unterschied zwischen den Berufsmusikern und den Amateuren nicht erkannt. Alle waren perfekt vorbereitet, spielten und sangen gut und sauber und mit viel Herz. So, wie es sich Antonín Dvořák gewünscht und komponiert hat. Er hat das Herz in der Musik und im Libretto. Er wäre mit der Aufführung sicher zufrieden gewesen.“

Und die Zufriedenheit war bei allen Beteiligten zu spüren. Die EU-Beamten begannen sofort nach der Vorstellung, weitere Pläne zu schmieden. Sie denken nun an Smetanas Oper „Die Verkaufte Braut“ oder Dvořáks Kantate „Stabat mater“. Und ihre Brüsseler „Rusalka“ möchten sie gerne auch in Tschechien vorführen.