Der Körper als Landschaft

Eva Kmentová: Blatt in Bewegung (Foto: Jindřich Nosek, CC BY-SA 3.0)
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Ihr Werk ist weiter aktuell, obwohl sie schon 1980 gestorben ist: die Bildhauerin Eva Kmentová. Sie war eine der Ikonen der Neuen Welle in der tschechoslowakischen Kunst der 1960er Jahre. Vor einer Woche hätte Eva Kmentová ihren 90. Geburtstag gefeiert, doch sie starb viel zu jung im Jahr 1980.

Eva Kmentová  (Foto: Karel Kuklík,  CC BY-SA 3.0)
Das letzte Mal waren größere Teile ihres Werks im Jahr 2012 im Prager Museum Kampa zu sehen. Unter dem Titel „Hände, Finger, Lippen“ handelte es sich vor allem um Kmentovás sogenannte Körperlandschaften. Die Arbeiten schuf sie in den 1960er und 1970er Jahren, zunächst aus Gips, später aus Papier. Der Begriff Bildhauerin ist bei Kmentová ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Die damalige Kuratorin einer ihrer Ausstellungen im mährischen Brno / Brünn, Yvona Ferencová, sagte 2007 gegenüber Radio Prag:

„Natürlich war sie eine Bildhauerin. Aber sie hat sich recht bald von der klassischen Bildhauerei entfernt und begonnen, Objekte auf eher untypische Weise zu schaffen. Dafür nutzte sie die Abdrücke ihres eigenen Körpers, ihrer Finger…“

Eva Kmentová wird am 6. Januar 1928 in Prag geboren. Schon in der Familie kommt sie mit Kunst in Berührung, ihr Vater unterrichtet Schnitzhandwerk an der Staatlichen Schule für Wohnungsbau. Und das wird auch ihre erste Ausbildung. Nach dem Krieg studiert sie schließlich an der Kunsthochschule in Prag. Sie lernt den Bildhauer Olbram Zoubek (1926 bis 2017) kennen, den sie heiratet. Dieser erinnerte sich vor einiger Zeit an die spätere Zusammenarbeit:

Olbram Zoubek  (Foto: Tomáš Klement,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Eva war kein einfacher Mensch, und ich habe sie erst nach und nach richtig kennengelernt. Als wir uns ineinander verliebten, war sie ein sportlicher Typ. Ich würde nicht sagen, dass sie oberflächlich war, aber sie hat die Freuden des Lebens genossen und so auch gelebt. Ich habe sie da etwas gebremst, ich war nicht so lebhaft wie sie. Später entdeckte ich die große Künstlerin in ihr. Als wir unser Atelier angelegt hatten, ist sie wie ein Vogel losgeflogen und hat sich zu ihrem Können aufgeschwungen.“

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kommt der erste Höhepunkt ihres Schaffens. Eva Kmentová knüpft an die Avantgarde der Zwischenkriegszeit an, tendiert aber in Richtung extreme Vereinfachungen.

1957 schließt sie sich der Künstlergruppe Trasa (Die Trasse) an, bei einer gemeinsamen Ausstellung in Prag werden aber ihre Werke aus ideologischen Gründen wieder entfernt.

Eva Kmentová: Blatt in Bewegung  (Foto: Jindřich Nosek,  CC BY-SA 3.0)
Dann stellt Kmentová 1963 erstmals alleine aus. Sie lernt den Kunstkritiker Jindřich Chalupecký kennen – und er bringt sie noch weiter voran als ihr Ehemann Zoubek.

„Jindřich Chalupecký hat sie in ihrem Kunstschaffen bestärkt. Er hat sehr früh, und vielleicht früher als wir alle anderen, die Kraft ihres Ausdrucks verstanden. Eva Kmentová hat eigentlich zusammen mit Adriana Šimotová die Kunst in unglaublicher Weise beeinflusst. Beide schufen sie Körperabdrücke. Das war die indirekte Rückkehr zur Gegenständlichkeit, die so erfrischend und schön war. Alles entstand mit einem solchen Feingefühl. Eva Kmentová erspürte die Poetik der Natur. Und von den ersten Reliefs, für die sie Elemente der Natur nutzte, kam sie zum menschlichen Körper. Das begann mit einem symbolischen Ei, führte über das Gesicht und die Finger zu weiteren Körperteilen. Damit hat sie uns dann alle eingenommen“, so der Kunsthistoriker Jiří Šetrlík in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Eva Kmentová: Tor der Träume  (Foto: Jindřich Nosek,  CC BY-SA 3.0)
Ab etwa 1964 integriert Eva Kmentová zum Beispiel die Abdrücke von Zweigen in ihre Reliefs. Zwei Jahre später nimmt sie an einem Bildhauersymposium im österreichischen St. Margarethen teil. Danach folgen die Abdrücke von runden Findlingen als Symbole der Befruchtung und später der Übergang zu den erwähnten Körperlandschaften.

Wer häufig bei Eva Kmentovás Schaffensprozessen zugegen ist, das ist ihr Mann Olbram Zoubek. Er hat vor einigen Jahren die gemeinsame Zusammenarbeit beschrieben:

„Eva ist wirklich mit ihrem gesamten Körper und Körperwillen da rangegangen, und hat Haut, Hände, Finger und Lippen abgedruckt und abgegossen. Dabei habe ich ihr natürlich geholfen, denn das lässt sich nicht alles alleine schaffen. Manchmal hat auch jemand anderes assistiert. Da aber die Berührungen auch etwas intim waren, war meist ich dabei.“

Doch Mitte der 1970er Jahre lassen Kmentovás Kräfte nach. Die Ärzte diagnostizieren, dass sie eine Hepatitis durchgemacht hat – aber da die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt wurde, sind die Folgen lebensbedrohlich. In dieser Phase lernt Zoubek seine Frau zum dritten Mal kennen:

Yvona Ferencová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Als sie krank war, habe ich sie als große Frau kennengelernt. Sie hat sich mit ihrer Krankheit abgefunden und viel stärker uns unterstützt als wir sie.“

„Uns“ – das sind neben Olbram Zoubek auch die beiden Kinder Polana und Jasan. Doch die schwindenden Kräfte verändern die Arbeit der Bildhauerin.

„Sie musste den Gips aufgeben, den Faserzement und die großen Quader. Stattdessen ging sie zu deutlich leichterem Material über, und zwar Papier. Das hat in ihren Arbeiten noch zusätzlich die Vergänglichkeit betont.“, sagt Yvona Ferencová.

Eva Kmentová stirbt am 8. April 1980 in ihrer Heimatstadt Prag, sie wird nur 52 Jahre alt.

Autor: Till Janzer
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