Ramadan in Tschechien: Meditation und Staunen

Ramadan in Mekka (Foto: ČTK / AP Photo/ Amr Nabil)

Nicht essen, nicht trinken und nicht einmal eine Zigarette. Wie erleben junge Muslime in Tschechien den Ramadan?

Ramadan in Mekka  (Foto: ČTK / AP Photo/ Amr Nabil)
Kristýna wohnt in einem Plattenbau in der Prager Südstadt. Wie jeden Morgen fährt sie zur Arbeit, seit rund drei Wochen ist das aber gar nicht so einfach für sie. Kristýna ist nämlich vor einigen Jahren zum Islam konvertiert, und auch sie fastet während des Ramadan:

„Mir hilft es während des Ramadan, wenn ich meinen Tag gut durchplane – von da bis da bin ich in der Arbeit, dann fahre ich heim und lese etwas, dann gehe ich zu meinen Freundinnen oder in die Moschee. So vergeht der Tag wie von selbst.“

Sie habe sich schon immer für den Nahen Osten interessiert und irgendwann habe sie den Schritt hin zum islamischen Glauben gewagt, erzählt Kristýna. Das Fasten im Ramadan gehört da einfach dazu:

Illustrationsfoto: Capture Queen,  CC BY 2.0
„Mittlerweile schaffe ich den Ramadan ganz gut, ich mache das ja schon seit einigen Jahren. Das erste Mal, vor allem die ersten paar Tage, waren aber wirklich anstrengend. Das lag vielleicht auch daran, dass ich einfach nervös war vor Freude, was denn da auf mich zukommt. Nun habe ich aber das Gefühl, dass sich mein Körper schon daran gewöhnt hat. Gleich vom ersten Tag an weiß ich, was mich erwartet, und für mich ist alles in Ordnung.“

Für die junge Frau ist der Ramadan aber weit mehr, als nur die Erfüllung einer religiösen Pflicht. Durch den Verzicht finde sie auch einen Weg zu sich selbst und konzentriere sich auf die wichtigen Dinge in ihrem Leben, betont Kristýna:

„Ich fasse mir immer bestimmte Ziele und Vorsätze und will beispielsweise mehr lesen, studieren und in mich hineingehen. In diesem Jahr habe ich mich entscheiden, nicht so viel in den sozialen Medien rumzuhängen. Facebook muss ich zwar wegen der Arbeit weiternutzen. Ich habe mich für die Zeit aber von Instagram, Snapchat und ähnlichen Diensten abgemeldet, die mir sonst die Zeit wegfressen.“

Außerdem ist das Fasten im Ramadan für Kristýna auch eine Art Zeichen der Solidarität:

Foto: Pixabay / CC0
„Es geht ebenso um die Einsicht, dass es nicht allen Menschen auf der Welt so gut geht wie uns hier. Wenn man sich beispielsweise aktuell Palästina anschaut, da sind 90 Prozent des Wassers nicht trinkbar. Ich denke also, dass es dahingegen nicht so schlimm ist, die paar Stunden nichts zu trinken.“

Hohe Akzeptanz, außer bei der Figur

Wie nimmt aber Krystinas Familie ihre Entscheidung an? Für ihre Mutter sei das in Ordnung gewesen, sie kenne ja die christlichen Fastenzeiten, meint die junge Frau. Ihr Vater sei bei der Frage jedoch immer ein bisschen grimmig, denn sie sei ohnehin schon sehr dünn. Deshalb rede sie mit ihm lieber nicht so viel darüber, meint die Konvertitin.

Ramadan-Gericht  (Foto: E4024,  CC BY-SA 4.0)
Geteilte Reaktionen kennt auch Julinka. Genauso wie Kristýna ist sie schon vor Jahren zum Islam übergetreten. Vor allem in der Familie traf Julinka auf Bedenken, viele hatten Angst, dass sie irgendwo aus Entkräftung zusammenbricht. Julinka erklärt jedoch, dass man den Ramadan insgesamt nicht so streng sehen muss:

„Ein Spaziergang durch einen Rosengarten ist das natürlich nicht, vor allem wenn es sehr heiß ist. Auf jeden Fall gilt, dass man sofort etwas essen und trinken sollte, wenn einem schlecht wird oder einem Schwächeanfall nahe ist. Fasten muss tatsächlich nur derjenige, der auch gesund ist.“

Abgesehen davon könne man das Fasten auch unterbrechen oder einen Tag auslassen, erklärt sie. Dann müsse man diesen Tag aber zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Julinka selbst hat den Ramadan beispielsweise während ihrer Abschlussprüfungen an der Universität ausgesetzt. Da sei es ihr zu riskant gewesen, meint die junge Tschechin. Insgesamt gebe es aber keine Sonderbehandlung gibt für Muslime im Ramadan:

In diesem Jahr hat der Ramadan am 14. Mai begonnen  (Foto: Ksulaiman1,  CC BY-SA 3.0)
„Ein Tag im Ramadan ist genauso wie jeder andere auch. Muslime arbeiten da ganz normal, gehen in die Schule und schreiben Prüfungen. Oft hört man ja, dass sich Muslime da einfach hängen lassen oder nicht zur Arbeit gehen würden. Wir brauchen aber keine extra Vorteile, die gibt es ja in überwiegend muslimischen Ländern auch nicht.“

Pubertät, Identität und verwunderte Blicke

In diesem Jahr hat der Ramadan am 14. Mai begonnen, er endet schließlich am 14. Juni mit dem Fest des Fastenbrechens. Während des gesamten Monats dürfen Muslime von Sonnaufgang bis zum Sonnenuntergang weder essen, noch trinken– der Koran definiert die Nacht dabei als die Zeit des Tages, in der man einen weißen Faden nicht von einem schwarzen unterscheiden kann. Auch das Rauchen und Sex sind tabu. In der Regel beginnen Muslime in der Pubertät mit dem Fasten, so war es auch bei Omar. Im Gegensatz zu Kristýna und Julinka ist er in Tschechien in einer muslimischen Familie aufgewachsen, zum Glauben hat er über seinen Vater gefunden:

Illustrationsfoto: Sonia Sevilla,  CC0 1.0
„Mein Vater hat mich und meine Schwester zu nichts gedrängt. Eher hat er immer angedeutet, ob wir das nicht auch einmal versuchen wollten mit dem Fasten. Meine kleine Schwester pfeift einfach drauf, die ist da zu bequem. Ich habe das Fasten schon mit etwa 14 Jahren versucht, mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Nicht immer hat es ganz geklappt.“

Für Omar ist der Ramadan wichtig für seine eigene Identität. Diese Ansicht teilt er mit vielen Glaubensgenossen in Tschechien:

„Ich kenne einige weitere Araber und Muslime in meinem Alter. Die sind sich alle einig, dass man den Ramadan schon durchhalten sollte. Nicht alle sind dabei aber immer erfolgreich. Dass die Sache irgendjemanden gar nicht interessiert, das ist eher selten.“

Die tschechischen Freunde hingegen finden manchmal nicht viel Verständnis für Omar im Ramadan:

„Manche sagen: Hey, das ist krass, ich könnte das nicht! Andere wiederum halten das Fasten für Unsinn. Das macht einen dann schon traurig, gerade wenn die eigenen Freunde so über meine Traditionen sprechen. Lustig ist aber immer die Aussage: Da bist du ja wieder einen Monat lang unerträglich. Das ist wahr, mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel ist der Mensch manchmal einfach unbequem. Ein bisschen zumindest.“

In Tschechien leben Schätzungen zufolge im Übrigen rund 22.000 Muslime, sie kommen dabei vor allem aus dem Irak, Nordafrika, Afghanistan und Bosnien.