120 Jahre Gefängnis in Uherské Hradiště (1.Teil)

Gefängnisgebäude in Uherské Hradiště (Foto: Jitka Mládková)

Das ehemalige Gefängnis von Uherské Hradiste war immer berüchtigt: Im Zweiten Weltkrieg folterte hier die Gestapo, später dann die Kommunisten. Der erste Teil einer kleinen Serie zu der Haftanstalt.

Gefängnisgebäude in Uherské Hradiště  (Foto: Jitka Mládková)
Seit Jahrzehnten nagt schon der Zahn der Zeit am leerstehenden Gefängnisgebäude im südmährischen Uherské Hradiště. Obwohl schon 120 Jahre alt, wurde es erst ab den 1940er berüchtigt. Während des Zweiten Weltkriegs sperrte die Gestapo dort Menschen ein, und später ließen die kommunistischen Machthaber dort Missliebige quälen.

Uherské Hradiště kann auf eine mehrere Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken. Schon im Mittelalter hatte die Stadt eine wichtige Stellung in der Markgrafschaft Mähren, einem der Kernländer der Böhmischen Krone. Gegründet wurde sie 1257 durch König Ottokar II. auf einer Flussinsel inmitten der March, damals noch unter dem Namen Nový Veligrad. Wie die Bedeutung von Uherské Hradiště im Laufe der Geschichte zunahm, weiß Pavel Portl. Er ist Historiker am örtlichen Museum der mährischen Slowakei:

Die Festung  Uherské Hradiště,  Tuschezeichnung aus dem 17. Jahrhundert  (Zeichnung Jiří Heřman,  Museum der Mährischen Slowakei)
„Uherské Hradiště war eine der insgesamt sechs königlichen Städte in Mähren. Die wirtschaftliche sowie militärstrategische Bedeutung der Ortschaft nahm ständig zu. Ab dem 14. Jahrhundert wurde die Stadt kontinuierlich zu einer Festung ausgebaut. Sie spielte eine bedeutende Rolle für die Verteidigung Südostmährens, das sich vor wiederholten Überfällen verschiedenster Heere schützen musste. Im 17. Jahrhundert war die Stadt schließlich von zwei massiven Mauerreihen und einem Wassergraben umgeben. Die effektive Stadtbefestigung hatte aber auch einen bedeutenden Nachteil. Bis Ende des 18. Jahrhunderts, als der Festungsstatus von Uherské Hradiště letztlich aufgehoben wurde, konnte die Stadt innerhalb des Mauerrings nicht wachsen. Das wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich.“

Auf dem Weg zu einer modernen Haftanstalt

K.k. Kreisgericht in Uherské Hradiště
Ein Gefängnis gab es in der Stadt allerdings schon seit 1807. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte sich jedoch, dass es neuen Bedürfnissen nicht mehr gewachsenen war. Bei der 1850 durchgeführten Verwaltungs- und Justizreform in Mähren wurde Uherské Hradiště zum Sitz eines Kreisgerichts. Diesem wurden zudem die Kompetenzen eines Untersuchungsgerichts übertragen und es war für Verbrechen und Vergehen in insgesamt vier regionalen Gerichtsbezirken zuständig. Mit der Zeit wurde den Bürgern klar, dass dringend mehr Platz im örtlichen Gefängnis gebraucht wurde. Es dauerte jedoch beinahe 30 Jahre, bis konkrete Schritte zur Umsetzung des Plans vorgenommen wurden. Der Gemeinderat stellte ein Grundstück zur Verfügung und unterstützte die Vorbereitung des Baus mit 40 000 Gulden. Es gab aber noch andere Gründe für seine Realisierung:

Das Areal des Justizpalastes aus Vogelperspektive
„Ende des 19.Jahrhunderts war das bestehende Gefängnis schon vollkommen veraltet. Außerdem befand es sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Franziskanerklosters in der Innenstadt. Das war für die Häftlinge eine äußerst günstige Lage. Wenn es einem von ihnen gelang, den Zaun zu überwinden, fand er im Kloster Unterschlupf ohne die Gefahr, an weltliche Stellen ausgeliefert zu werden. Der neue im Stil der Neorenaissance erbaute Justizpalast mit dem anliegenden Gefängnis war dann das erste große Objekt, das außerhalb der ehemaligen Stadtmauern entstand. Größere Strafanstalten der Kreisgerichte gab es damals nur in Prag, Brünn, Olmütz, Leitmeritz und Troppau. Die Strafvollzugsanstalt in Uherské Hradiště hatte 97 Zellen und war für 240, zur Not für 300 Insassen vorgesehen. Später aber, wie zum Beispiel während des Zweiten Weltkries, waren dort über 400 Häftlinge eingepfercht.“

Monotonie und Zuverdienst im Alltag der Häftlinge

Pavel Portl  (Foto: Jitka Mládková)
Nach seiner Instandsetzung war das Gefängnis eine ganze Zeitlang nur für Straftäter bestimmt. Ihr Tagesregime, so Portl, sei wie in jedem Gefängnis sehr eintönig gewesen:

„An klaren Belegen mangelt es, insbesondere aus der Gründungszeit. Den Tagesablauf der Insassen kann man zumindest einigermaßen anhand der erhalten gebliebenen Gefängnisordnungen rekonstruieren. Werktags standen die Häftlinge um halb sieben auf, samstags und sonntags eine halbe Stunde später. Der Tag begann mit der Morgentoilette in der Zelle, wo eine Waschschüssel zur Verfügung stand. Ein Eimer diente als Klosett. Ihre Füße konnten die Straftäter einmal pro Woche waschen. Einmal in zwei Wochen war die Reinigung des Körpers Pflicht. Die Männer rasierten sich nur einmal pro Woche.“

Zum Gefängnis gehörte auch ein großflächiger Garten, in dem vor allem Wurzelgemüse und Kartoffeln angebaut wurden. Sie waren die Grundlage der Verpflegung. Aber nicht nur auf den Gefängnisbeeten fanden die Insassen Beschäftigung. Das bestätigt auch Historiker Pavel Portl:

Foto: Palickap,  CC BY-SA 4.0
„Die Gefangenen mussten auch arbeiten, um sich an den Aufenthaltskosten zu beteiligen. Zugleich aber war die Arbeit ein Teil der Umerziehung. Leichtere Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Federn-Schleißen, Kartoffeln-Schälen oder Papiertüten-Kleben, konnten in den Zellen verrichtet werden. Selbstverständlich arbeiteten Strafgefangene auch in der Küche. Interessant ist, dass es in diesem Gefängnis auch Werkstätten gab. Dort konnten Schlosser, Tischler oder Buchbinder ihren Beruf weiterhin ausüben. Genäht wurden dort auch Schuhe und Kleider. Aber nur zum Teil ging es um gelernte Profis. Wer eine längere Freiheitsstrafe absitzen musste, hatte dort eine gute Gelegenheit, etwas Neues dazu zu lernen.“

Die Häftlinge wurden aber auch als Arbeitskräfte außerhalb der Strafanstalt angeheuert. Am häufigsten, vor allem im Sommer, halfen die Kriminellen in der Landwirtschaft in den umliegenden Dörfern.

Kapelle im Gefängnis  (Foto: Palickap,  CC BY-SA 4.0)
Im Gefängnis befand sich auch eine Kapelle, in der regelmäßige Gottesdienste stattfanden:

„Sie war von Anfang an Bestandteil der Strafanstalt. Die Kapelle wurde gleich nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1897 geweiht. Einmal pro Woche kam ein Priester und zelebrierte dort die heilige Messe. Der Großteil der Bestraften waren Gläubige. Verwunderlich ist das nicht, denn hier befinden wir uns in einer Region, die sich traditionsgemäß durch eine hohe Religiosität auszeichnet. Interessant ist, dass die Gottesdienste bis Anfang der 1950er Jahre in der Gefängniskapelle gefeiert wurden.“

Haft nach demokratischen Regeln

Auch in Uherské Hradišstě wurden die mutmaßlichen Straftäter nach der Festnahme zunächst verhört. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage an den studierten Historiker, ob die Häftlinge auch gefoltert wurden:

Ausnahmezustand nach dem Generalstreik im Dezember 1920
„Bestimmt nicht. Das Wort ‚bestimmt‘ möchte ich unterstreichen, auch wenn es sich nicht aufgrund handgreiflicher Dokumente belegen lässt. Um meine Behauptung zu untermauern, möchte ich auf ein bedeutendes Ereignis im Dezember 1920 hinweisen. Damals wurde hierzulande ein Generalstreik vom linksradikalen Flügel der Sozialdemokraten ausgerufen. Sein Ziel war es, die Macht in der Partei beziehungsweise im ganzen Land zu übernehmen. Doch trotz der Unterstützung von rund einer Million Arbeitern wurde der Streik niedergeschlagen und seine Organisatoren wurden verhaftet. Das südmährische Zentrum des Generalstreiks befand sich in Hodonín. Seine Mitglieder wurden Uherské Hradiště ins Gefängnis überführt, wo sie einige Wochen absitzen mussten. Obwohl ihre Tat einen politischen Hintergrund hatte, verurteilt wurden sie nach den geltenden Rechtsprinzipien der tschechoslowakischen Republik.“

Daraus lässt sich laut Portl eines eindeutig schließen: die Vernehmungen liefen in der Vorkriegstschechoslowakei allgemein nach den Rechtsstandards eines demokratischen Staates ab. Dem Historiker zufolge fanden bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs auch keine Hinrichtungen in Uherské Hradiště statt, wenn auch Todesurteile vom zuständigen Gericht gefällt wurden. Für ihre Vollstreckung seien allerdings größere beziehungsweise so genannte Zentralgefängnisse zuständig gewesen. Hauptsächlich in Prag.

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