Brutalismus und Verse

„Ein Stück: Tschechien“ (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
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Gleich zwei große Festivals haben in Berlin in den kommenden Wochen einen Tschechien-Bezug. Außerdem treffen etwa deutsch- und tschechischsprachige Dichter zusammen und übersetzen gemeinsam. Das und noch mehr gehört zum Programm des Tschechischen Zentrums in Berlin. Im Folgenden ein Interview mit der stellvertretenden Leiterin des Zentrums, Christina Frankenberg.

François Svalis  (Foto: Jiří Šeda,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Frau Frankenberg, der Name François Svalis klingt nicht sehr tschechisch. Er kommt aber aus Brno / Brünn, ist Musikproduzent und wird am Freitag dieser Woche bei Ihnen im Tschechischen Zentrum auftreten. Wer verbirgt sich hinter dem Namen, und welche Klänge bringt er mit nach Berlin?

„Es handelt sich um einen inzwischen 28-jährigen Sinologie-Studenten namens David Pospíšil, der im letzten Jahr in der Sendung Startér von Radio Wave eine Wildcard gewonnen unter anderem für das Musikfestival ‚United Island of Prague‘. Seitdem ist er schon durch Polen, Deutschland und Tschechien getourt und wird Ende des Jahres seine erste LP herausgeben. Der Musikproduzent François Svalis ist Weltreisender und dabei sehr gerne in der Ferne unterwegs, wo er auch die Inspiration für seine Musik findet. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Zuhörern die Stille näher zu bringen. Das ist auch der Grund, wieso wir ihn in der Reihe ‚Hör dich glücklich‘ mit eher ruhigerer und kontemplativerer Musik vorstellen.“

Tags drauf, also am Samstag, startet das Festival „Ein Stück: Tschechien 2018“. Gezeigt werden zeitgenössische Theaterinszenierungen. Welche Aufführungen sind geplant?

„Es geht um den etwas komplizierten Heimatbegriff der Tschechen in heutiger Zeit.“

„Das Festival findet schon zum dritten Mal als Biennale statt. In den Jahren dazwischen gibt es immer nur eine kleine Veranstaltung. Dieses Jahr beginnen wir am 26. Mai um 20 Uhr mit einem Gastspiel des beliebten Theaterstudios Hrdinů in Prag. Das Stück heißt ‚Der Schauspieler und Schreiner Meier äußert sich zum Zustand seines Heimatlandes‘. Es ist von David Zábranský und darin geht es um den etwas komplizierten Heimatbegriff der Tschechen heute. Am 14. Juni um 19.30 Uhr haben wir das Theater ‚Divadlo letí‘ aus Prag zu Besuch. Sie führen das Stück ‚Olga‘ mit dem Untertitel ‚Horror im Hause Havel‘ von Anna Saavedra auf. Darin geht es um die Beziehung zwischen Václav Havel und seiner Frau Olga und wie diese Beziehung sich verändert hat, als aus dem damaligen Dissidentenpaar ein Präsidentenpaar wurde. Diese beiden Aufführungen sind im Tak-Theater Aufbau Kreuzberg zu sehen und haben englische Untertitel.“

Roman Sikora  (Foto: Saša Uhlová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Es gibt aber auch noch eine dritte Veranstaltung des Festivals…

„Genau, und zwar am Mittwoch, 6. Juni, um 19 Uhr. Da zeigen wir im Tschechischen Zentrum drei Stücke in szenischer Lesung. Es sind Auszüge aus dem Werk ‚Einsame Spitze aus dem Leben einer Kugelstoßerin‘ von David Drábek aus Roman Sikoras ‚Schloss an der Loire‘ und aus ‚Navrátilová- Šimčíková- das flammende Herz‘ von René Levínský. Alle Dramatiker kommen auch zu der Veranstaltung und werden über ihre Stücke reden. Die genannten Dramen beschäftigen sich nicht mit privaten Themen, sondern mit aktuellen Vorgängen in der tschechischen Politik und Gesellschaft. Zudem geben sie einen guten Überblick über das, was es derzeit Neues und Interessantes auf den tschechischen Bühnen zu sehen gibt. Diese szenischen Lesungen finden in deutscher Sprache statt. Auch sollte noch erwähnt werden, dass das ganze Projekt eine Kooperation mit ‚Drama Panorama‘ ist, einem Verein zur Förderung von dramatischen Übersetzungen. Die Festivalleitung und Dramaturgie haben wieder Barbara Stiller und Henning Borchert übernommen.“

Wir kommen zu einer etwas anderen Textform als dem Drama – nämlich zur Lyrik. Und zwar werden tschechischsprachige und deutschsprachige Dichter ihre Verse in die jeweils andere Sprache übersetzen. Die Ergebnisse werden am 30. Mai an der Akademie der Künste präsentiert…

„Die Dichter werden im tschechisch-deutschen Tandem ihre eigenen Werke übersetzen.“

„Das ist ein sehr schönes Projekt, namens VERSschmuggel – Překladiště: Tschechisch-Deutsch. Die Veranstaltung wurde vom Haus der Poesie initiiert und wird vom Tschechischen Zentrum unterstützt. Dabei sollen die Dichterinnen und Dichter im tschechisch-deutschen Tandem arbeiten und selbst ihre Werke in die andere Sprache übersetzen. Unterstützt werden sie dabei von Sprachmittlern. Dieses Konzept unterscheidet sich vom Vorgehen eines Übersetzers, der sich auch an Poesie versucht. Aus Tschechien kommen die Dichterinnen und Dichter Milan Děžinský, Pavel Kolmačka, Pavel Novotný, Božena Správcová, Jan Škrob und Marie Šťastná. Moderiert wird die Veranstaltung von dem Dichter und Kurator Jonáš Hájek. Er wird dabei die Ergebnisse desVERSschmuggels vorstellen. Die Projektleitung hat Juliane Otto vom ‚Haus der Poesie‘ übernommen.“

„Ein Stück: Tschechien“  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Wenn am 14. Juni die letzte Inszenierung von „Ein Stück: Tschechien“ aufgeführt wird, beginnt in Berlin ein weiteres Festival. MakeCity heißt es und dauert 17 Tage lang. Worum geht es dabei, und in welcher Form ist dabei Tschechien vertreten?

„Beim MakeCity-Festival geht es um Architektur und das Andersmachen sowie neue Wege in der Stadtplanung. Es findet zum zweiten Mal statt und ist international. Dieses Jahr steht es unter dem Motto ‚Berlin Remixing‘. Das Tschechische Zentrum ist dabei Festivalzentrum. Bei mehreren Veranstaltungen kommen auch tschechische Architekten und Stadtplaner zu Wort oder tauschen sich mit ihren Kollegen aus Deutschland und weiteren Ländern aus. Zur Eröffnung am 14. Juni ist die Stadtplanerin und Architektin Lenka Burgerová eingeladen, sie ist eine der stellvertretenden Bürgermeisterinnen des siebten Prager Stadtbezirks. Am 16.Juni hat das Tschechische Zentrum eine Veranstaltung organisiert namens ‚Prag – neue Strukturen für eine alte Stadt‘. Dort wird es um den neuen Bebauungsplan für Prag geben, der stärker als früher Strukturen in der Stadt ins Visier nimmt und in dem eine Verdichtung der Stadt angedacht ist. Dieser neue Flächennutzungsplan für die Metropole Prag wird vom Architekten Jiří Dale vorgestellt. Er hat diesen Plan am Prager Institut für Stadtplanung und Entwicklung mitentworfen. Ebenfalls kommt Štěpán Bärtl, Leiter des neu gegründeten ‚Center for Architecture and Metropolitan Planning Camp‘. Zusammen werden sie mit Manfred Kühne von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen diskutieren, und zwar eben über Stadtplanung in Berlin und Prag.“

Am 21. Juni folgt dann eine weitere Veranstaltung, in der es um den Brutalismus in der Architektur geht…

„Im Mittelpunkt steht die heutige Neunutzung von brutalistischer Architektur in Ost und West. Aus Prag werden wir Marie Kordovská und Jan Kordovský zu Gast haben. Sie sind die Enkel des Architekten-Ehepaars Machonin, das auch die tschechische Botschaft in Berlin errichtet hat, in der sich das Tschechische Zentrum befindet. Sie werden mit Oliver Elser vom Museum für Architektur in Frankfurt diskutieren, der unter dem Titel ‚SOS Brutalismus‘ dieses Jahr eine große Ausstellung in Frankfurt organisiert hat. Wir werden auch Andres Jüttemann zu Gast haben, der sich mit einem Projekt in Berlin beschäftigt, in dem es unter anderem um die Neunutzung von brutalistischen Medizinbauten in Berlin geht.“

Autor: Till Janzer
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